Interview W. Pachali & G. Althaus – Fragen der Veränderungskommunikation

In unseren Blogbeiträgen veröffentlichen wir Fragen von Workshop-Teilnehmern, Interviews mit Pressevertretern und Gespräche mit Kunden.

Herr Pachali, Sie beraten Unternehmen und Manager in Fragen der Veränderungskommunikation.
Was genau kann man sich darunter vorstellen?

Pachali
Ich helfe Menschen zu erklären, warum sie sich heute anders verhalten als gestern oder morgen anders verhalten wollen als heute. Veränderung bedarf „leider“ immer einer Erklärung damit derjenige der die Veränderung initiiert nicht an Berechenbarkeit und Verlässlichkeit verliert.

Die meisten Menschen lieben die Konstanz, und erwarten dies auch von allen anderen. Selbst dort, wo wir eigentlich wissen, dass sich etwas ändern wird, gehen wir meist recht selbstverständlich davon aus, dass alles so weitergeht wie bisher.

Selbst wenn wir unter dem Bestehenden leiden, lieben viele die Konstanz mehr als die Veränderung. Die Fähigkeit zur Veränderung mutierte von einer täglichen Selbstverständlichkeit (Überleben in der Natur) zu einer unerwünschten Ausnahme.

Warum ist, Herr Althaus, aus ihrer Sicht heute Veränderung so wichtig?

Althaus
Wir leben in einer Zeit der schnellen und disruptiven Veränderungen. Was gestern noch die beste Option war, kann heute eine schlechte und morgen bereits die schlechteste sein. Und dieser ständige Veränderungsbedarf trifft auf Menschen, die möglichst wenig oder nichts riskieren wollen.

Jede Veränderung und jede „Nicht-Veränderung“ ist aber stets mit Risiko verbunden. Auch wenn Entscheidungen, etwas nicht zu verändern, oft nicht bewusst getroffen werden, bleiben sie genauso eine Entscheidung wie jene zur Veränderung.

„Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun“ hat uns Molière gelehrt.

Was ist die wichtigste Voraussetzung, um sich frühzeitig mit Veränderungen zu beschäftigen?

Pachali
Achtsamkeit – auch wenn es ein spröder altbackener Begriff ist. Achtsamkeit, wahrnehmen was ist, wahrnehmen was sich verändert – ohne gleich zu bewerten. Nur wer akzeptiert, dass jederzeit etwas Erwünschtes aber auch etwas Unerwünschtes eintreten kann, bleibt handlungsfähig, wenn es tatsächlich passiert.

Althaus
Achtsamkeit bedeutet, Veränderungen zu akzeptieren, zu jedem Zeitpunkt mit ihnen zu rechnen und idealerweise immer auf sie vorbereitet zu sein. Die wichtigste Fähigkeit in der Zukunft ist, mit dem Ungewissen zu leben und es für seine Zwecke zu nutzen.

Das klingt so einfach und selbstverständlich, ist es aber nicht, oder?

Althaus
Oh nein! Deshalb ist meine erste Aufgabe stets die inneren Dialoge, die inneren Zweifel meines Gesprächspartners zu beobachten und mit ihm zu besprechen. Gerade in Phasen des Selbstzweifels ist es wichtig, sich seine persönlichen Ressourcen und Fähigkeiten gezielt bewusst zu machen.

Pachali
Neben Selbstzweifeln ist die Gefallsucht (noch so ein sperriger, verstaubter Begriff) ein Gesprächsthema. Gefallsucht bewirkt, dass wir Veränderungen nur deshalb wagen, weil wir anderen gefallen wollen. Nicht jeder Wunsch nach Veränderung hat seinen wirklichen Ursprung in uns selbst. Etwas populistischer aber den Kern treffend hat es Udo Lindenberg mit dem Satz „Mach dein Ding“ formuliert.

Wenn ich sie, Herr Pachali, richtig verstanden habe, beraten Sie nicht Unternehmen bei der inhaltlichen Gestaltung von Veränderungen, sondern bei der Kommunikation von Veränderungen?

Pachali
Wir sollten diese beiden Teilbereiche (Inhalt und Kommunikation) sehr genau voneinander trennen. Meine Aufgabe ist es Bote und Botschaft in Einklang zu bringen. Consultants helfen Unternehmen Veränderungsbedarf und Veränderungen zu definieren, meine Aufgabe ist es z.B. Veränderungsbedarfe verständlich zu machen, Veränderungsziele so zu formulieren, dass alle Beteiligten wissen, was sie gemeinsam erreichen sollen und wann sie erreicht haben, was sie erreichen wollen. Mein Gebiet ist die verständliche, glaubwürdige und motivierende Story. Eine widerspruchsfreie Sprache, aktive Formulierungen. Worte, die Verständnis erzeugen, die nicht belehren, nicht von „oben herab“ daherkommen. Eine Sprache, die wertschätzt, die Vertrauen bildet.

Auf was, Herr Althaus, sollten Veränderer ganz besonders achten?

Althaus
Der Unternehmer braucht langfristige Zielbilder. Mitarbeiter benötigen die Sicherheit und Überschaubarkeit der kleinen Schritte. Deshalb ist es eine der wichtigsten Aufgaben mitzuhelfen große Ziele in viele kleine Unterziele zu transformieren. Kleine Zwischenziele, die sich schnell erreichen lassen. Kleine Appetithäppchen, die Lust auf mehr machen. Zu große Schritte lassen das Ziel unerreichbar scheinen und bringen uns am Ende um die nötige Belohnung. Damit unser Gehirn bereit ist etwas Neues auszuprobieren braucht es aber i.d.R. die Aussicht auf eine Belohnung.

Pachali
Yvonne Zimmermann hat es in unserem Buch sehr treffend formuliert: „Weil Führungskräfte ihr bisheriges Erfahrungswissen nur bedingt für Entscheidungen zu neuen Themen und Herausforderungen heranziehen können, kommt dem eigenen Wertegerüst, der eigenen Intuition und Charakterstärke eine noch größere Rolle zu“.

Belohnungen?

Althaus
Menschen sind zunächst auf ihre eigenen Vorteile bedacht. Sie wollen Antworten auf Ihre Fragen. In ihrem Inneren fragen sie natürlich „what´s in it for me“. Veränderung wird erst reizvoll, wenn jeder Betroffene seinen persönlichen Vorteil in der Veränderung erkennt. Große ambitionierte Ziele können sehr reizvoll sein. Aber eine Gewohnheit, die sich seit Jahren bewährt hat, ist für viele noch viel attraktiver.

Menschen brauchen also wie der „Esel die Karotte vor Augen“, damit sie motiviert sind.

Pachali
Das ist ein bewertendes Bild, das wir so nicht stehen lassen sollten. Gerade in der Zeit zwischen der Zielfindung und der Wegbeschreibung sind wir besonders verwundbar. Erfolgreiche Kommunikation von Veränderungen hilft den Betroffenen zu sehen, dass wir überall dort, wo wir uns verschlechtern können, wir uns genauso gut auch verbessern könnten. Um darauf aufbauend den Betroffenen zu helfen die Bereitschaft und die Fähigkeit zum Handeln zu entwickeln. Nur klar abgesteckte Etappen ermöglichen es, in regelmäßigen Abständen Ziele zu erreichen und das Belohnungssystem im Gehirn zu aktivieren.

Welche Rolle spielt Eigenverantwortung?

Althaus
Vielen Menschen fällt es schwer Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Sie warten lieber, was die anderen tun – das sollten wir aber nicht kritisieren, sondern einfach als Aufgabenstellung annehmen. Wir haben uns im Laufe unseres Lebens angewöhnt, ständig irgendeine vermeintliche Autorität, um Erlaubnis zu fragen. Häufig im Glauben, dadurch die Verantwortung abgeben zu können.

Pachali
Menschen gehen bei der Beurteilung einer Situation oder eines Verhaltens immer von sich selbst aus. Nicht nur Geschmäcker sind verschieden, Verhalten und Einstellungen sind es auch. Manager neigen dazu Veränderungen anzukündigen, die die Vorstellungskraft ihrer Mitmenschen sprengen und sind dann überrascht, dass diese Widerstand entgegenbringen. Wer etwas nachhaltig verändern möchte, muss verstehen, was andere davon abhält, den ersten Schritt zu tun, und wissen, wie er dieser Umsetzungshemmer Herr werden kann. Solange ein Mitarbeiter nicht ganz sicher ist, ob er eine Veränderung wirklich will, ist offen für alles, was ihn von ihr abhält.

Woran, Herr Pachali, scheitern Veränderungen?

Pachali
Ein entscheidender Faktor für das Gelingen einer Veränderung ist immer die Kraft, die wir in ihre Umsetzung investieren. „Chefs“, die selbst schlechte Veränderer sind, sollten zumindest dafür sorgen, dass ihr Umfeld die nötigen Veränderungen umsetzen kann, und bewusst darauf achten, dass sie Veränderungen nicht aufgrund z.B. fehlender Aufmerksamkeit blockieren oder sogar verhindern.

Wie sollen Veränderer mit Bremser und Warner umgehen?

Althaus
„An der Vordertür wehrst du den Tiger ab, durch die Hintertür kommt der Wolf ins Haus“ ein schönes Bild für den Umgang mit Blockierern. Wir erhalten den Lohn für unsere Mühen erst dann, wenn es uns gelingt, das neue Verhalten zu einer Selbstverständlichkeit werden zu lassen. Jede Veränderung ist am Anfang mühsam. Alles ist schwer, bevor es leicht wird. Denn wer am Anfang eines Weges steht, sieht diesen immer anders als derjenige, der auf ihn zurückblickt. Eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür, dass eine Veränderung langfristig Bestand hat, ist, dass wir uns auch tatsächlich ganz bewusst für sie entscheiden und Widerstand als etwas ganz Normales annehmen.

Pachali
Selbstverständlich verändern wir Dinge in der Absicht etwas zu verbessern. Doch der Irrglaube, Neues könne nur dort entstehen, wo wir das Alte ausradieren, ist noch immer weit verbreitet. Um in einem Bild zu sprechen: Veränderung ist wie die Wanderung auf einen Berggipfel. So mühsam der Weg ist, einmal oben angekommen, sind wir meist unendlich dankbar, den Weg tatsächlich zu Ende gegangen zu sein.

Althaus
Um bei dem Beispiel „Berg-Wanderung“ zu bleiben: Wenn Führungskräfte einfach in ihrem Tempo vorlaufen, ohne Rücksicht auf „wollen und können“ des Teams, dann werden sie vielleicht den Gipfel erreichen. Jedoch oben bemerken, dass er allein ist. Überfordert die Anstrengung das Team kehren die Mitwanderer, die den Anschluss verlieren, frustriert zurück ins Tal.

Pachali
Im Unternehmen geschieht das meist vollkommen unbemerkt, erst stockt die Initiative, dann versanden sie. Veränderungen sollten in umso mehr kleinere Schritte aufgeteilt und umso langsamer durchgeführt werden, je mehr Menschen von ihnen betroffen sind. Die Physik lehrt uns: Ein fester Gegenstand, den wir zu schnell verbiegen, zerbricht.