Interview W. Pachali & G. Althaus – Trends

In unseren Blogbeiträgen veröffentlichen wir Fragen von Workshop-Teilnehmern, Interviews mit Pressevertretern und Gespräche mit Kunden und Geschäftspartnern.

Die Pandemie hat gezeigt, wie schnell selbst sonst eher zurückhaltende Unternehmen innovative Formate, wie z.B. Home-Office oder Video-Konferenzen, aktiv nutzen. Ein Beweis für die Innovationsbereitschaft und -fähigkeit der Banken?  

Wolfgang
Die meisten Banken/Unternehmen standen in den vergangenen Jahren aufgrund der massiven unerwarteten Veränderungen (Pandemie, Wirtschaftsstörungen) einem enormen Veränderungsdruck gegenüber. Sie haben die kurzfristig wirkenden Krisen hervorragend gemeistert. Sie haben sie gemeistert, weil keine Alternative zur Verfügung stand. Home-Office wurde nicht eingeführt, weil darin ein modernes Instrument zur Flexibilisierung gesehen wurde, Video-Konferenzen wurden nicht eingeführt, weil darin eine zukunftsweisende Kommunikationsform gesehen wurde. Beides wurde eingeführt, weil kein Weg daran vorbeiging. Die „Unfreiwilligkeit“ zeigt sich jetzt nach der Krise, wo viele Unternehmen/Banken z.B. ihre Mitarbeiter wieder so schnell wie möglich Home-Office Zeiten verkürzen und die Arbeit im Unternehmen wieder zum (neuen) Standard werden soll. 

Günter
Es ist sogar sehr gut möglich, dass die Fokussierung auf die kurzfristigen Veränderungselemente die Unternehmen/die Banken von der erfolgreichen Bewältigung der langfristig wirkenden Disruptionen abgelenkt bzw. abgehalten haben. Führungskräfte haben z.B. gelernt per Video-Konferenzen mit ihren Teams zu kommunizieren, aber die Unternehmen haben nicht die notwendigen Veränderungen in den Strukturen (weg von Silos/ weg von Stellen und hin zu Rollen), bei den Prozessen (einfacher/schneller) und den neuen Führungsfähigkeiten (Unlearning, Rethinking, NewWorking) eingeleitet.  

Man hat den „einfacheren, schmerzfreieren“ Weg gewählt und damit die Herausforderungen sogar erhöht? 

Günter
Viele Banken/Unternehmen sind trotz der belastenden externen Einflüsse entscheidungs- und handlungsfähig geblieben. Doch das reicht nicht aus. Die langfristigen Veränderungen sind viel radikaler. Wir müssen schneller werden, resilienter werden. Wir stehen doch erst ganz am Anfang der Digitalisierung, die nächste Entwicklungsstufen, wie z.B. die Integration von Künstlicher Intelligenz, hat einen ganz anderen Charakter. In diesen Bereichen haben die meisten weder konkrete Vorstellungen, was das bedeutet und mit sich bringen könnte, noch ein verlässliches rechtliches Umfeld. Über die ethische Dimension ganz zu schweigen. 

Wolfgang
Die vor uns liegenden Veränderungen sind viel grundlegender: die Auflösung der organisatorischen Silos, damit interdisziplinärer gearbeitet werden kann, die Aufweichung von Stellen, damit via Rollen flexibler gearbeitet werden kann. Die Reduktion komplexer Strukturen und komplexer Prozesse damit Tempo aufgenommen werden kann. Die Beseitigung der dahinterliegenden Annahmen, wie z.B. Komplexität reduziert Risiken, Sicherheit geht vor Schnelligkeit. Festverankerte Annahmen und Glaubenssätze verhindern risikokompetentes Verhalten, erschweren angemessene Antworten auf die Radikalität der Herausforderungen. 

Was verstehen Sie unter Erhöhung des Tempos?

Wolfgang
Die meisten Banken/Unternehmen sind viel zu langsam. Die etablierten Prozesse verlangsamen Entscheidungen und Handlungen. Schnelligkeit schafft Risiken, die es gilt im Keim zu ersticken. Wir können nicht langsam den schnellen Veränderungen hinterherlaufen. Das Tempo bestimmt der Markt, das angemessene Tempo wird von den neuen innovativen Wettbewerbern vorgegeben. Wir sehen das Risiko der Erhöhung des geforderten Tempos und sehen nicht das Risiko einer zu langsamen Veränderung. Die Notwendigkeit das Tempo zu erhöhen, muss umfassend begründet werden, nicht aber das Verharren in den alten Lösungen. Unlearning ist die Fähigkeit erfolgreiche Lösungen der Vergangenheit aufzugeben. 

Günter
Immer wieder hören wir von Vorständen und Führungskräften, es fehle der mentale Change. Entscheidungen werden hinausgezögert, Veränderungsprojekte versanden. Immer und immer wieder setzen sich die Blockierer durch. Die Veränderungsbereiten müssen erklären und beweisen, dass Veränderung notwendig ist. Das Risiko liegt aber nicht in der Veränderung, sondern in der Bewahrung. Rethinking ist die Fähigkeit ständig bestehende Erfolgsmuster dahingehend zu überprüfen, ob diese auch noch unter veränderten Wettbewerbs- und Marktbedingungen erfolgversprechend sind. 

Konsequenz und Disziplin als kritische Erfolgsfaktoren?

Wolfgang
Eindeutig ja. Veränderungsnotwendigkeiten werden erkannt, Lösungskonzepte erarbeitet – und dann fehlt die Konsequenz und Disziplin in der Umsetzung. Unbequemen Entscheidungen wird aus dem Weg gegangen, unbequeme Handlungen werden halbherzig umgesetzt und mittelfristig ganz auf sie verzichtet. Der Kelch geht schon an uns vorbei, die nächste Generation soll sich damit beschäftigen. Eine fatale Richtungsentscheidung.

Günter
Ein zweites eindeutiges ja. Leider wird die Einhaltung dieser Erfolgsfaktoren mit zunehmendem Alter nicht einfacher. Erfahrung, insbesondere Lebenserfahrung, birgt für das Management eines Unternehmens Fluch und Segen zugleich: Erfahrung hilft unnötige Fehler zu vermeiden, sie blockiert häufig aber auch die Veränderung. Die besondere Herausforderung in diesen Zeiten besteht daher für unsere Managementgeneration darin, uns hinsichtlich Konsequenz und Disziplin vorbildlich zu verhalten und damit den Veränderungen, die die nächste Generation anschiebt, eine Chance auf Erfolg zu geben.

Zuversicht und Zutrauen – weitere kritische Erfolgsfaktoren?

Günter
Oh, ja! Veränderungen verlangen Mut. Mut entsteht aus Zuversicht. Zutrauen setzt Zuversicht voraus. Aufsichtsrat, Vorstand und Top-Führungskräfte sind diesbezüglich besonders gefordert. Nur wenn die „oben“ daran glauben und aus Sicht der Mitarbeiter widerspruchsfrei und entschlossen handeln, hat strukturelle Veränderung eine Chance. 

Wolfgang
Dabei reicht „rhetorisches Vorbild sein“ nicht aus. Es sind nicht die großen visionären Zukunfts-Stories, nicht die entschlossen und leidenschaftlich vorgetragenen Worte – entscheidend ist das konkrete Handeln. Vorbild im Handeln ist gefordert. Es ist der Umgang des Vorstandes/der Führungskräfte mit den Bremsern und Warnern im Team auf den die Mitarbeiter ihren Blick richten. Es ist die Antwort des Vorstandes/der Führungskräfte auf die zunehmend erkennbare und spürbare Versandung der geplanten Entwicklungsprojekte. 

Müssen Aufsichtsräte/Vorstände ambitionierter werden?

Wolfgang
Ambitionierte Aufsichtsräte/Vorstände werden i.d.R. in der genossenschaftlichen Organisation nicht gerade als Vorbilder auf den öffentlichen Bühnen präsentiert, vielmehr werden sie kritisch beäugt. Ambitionierte Aufsichtsräte/Vorstände fallen auf, ecken an. Häufig wird ihnen ein zu großer Risiko-Appetit unterstellt, persönliche Motive würden ihr Risikobewusstsein drüben und ihre angemessene Risikokompetenz wird in Frage gestellt. 

Günter
Aufsichtsräte müssen zunächst ihren Auftrag richtig verstehen. Der Aufsichtsrat ist keine verlängerte Eigentümerversammlung. Der Aufsichtsrat ist in seinem Handeln dem Unternehmen verpflichtet und nicht den eigenen Vorteilen oder einer von ihm vertretenen Gruppe. Die Arbeit an der Zukunft des Unternehmens ist die Königsdisziplin für ein Aufsichtsratsgremium. Wenn der Aufsichtsrat sich nicht in die strategische Entwicklung einbringt, verletzt es seine Pflichten. Wer sich aber in strategische Entwicklungen einbringen will, sollte sich mit dem Unternehmenskern, dem Geschäftsmodell, den Markt- und Wettbewerbsbedingungen auskennen oder sie erlernen. 

Letztlich sind die personellen Entscheidungen des Aufsichtsrates hinsichtlich Vorstandsbesetzung Folge der Managementanforderungen zur Umsetzung der Strategie. Und auch da müssen Aufsichtsräte neu denken lernen: Die Besetzung einer freien Aufsichtsratsposition oder einer Vorstandsfunktion muss auf die Komplettierung des Teams ausgerichtet sein, das in seiner Zusammensetzung am besten zur Realisierung der Strategie beitragen kann. Ich persönlich halte diesbezügliche Personalentscheidungen des Aufsichtsrates ohne Einbeziehung des bestehenden Vorstandsteams für unverantwortlich.