Interview W. Pachali & G. Althaus – Die Erfolgsfaktoren im Wandel

In unseren Blogbeiträgen veröffentlichen wir Fragen von Workshop-Teilnehmern, Interviews mit Pressevertretern und Gespräche mit Kunden.

Ist in Zeiten des radikalen Wandels Einigkeit im Management ein entscheidender Erfolgsfaktor?

Pachali
Der grundlegende Wandel in Gesellschaft und Wirtschaft bringt Unsicherheit, Unübersichtlichkeit und Unplanbarkeit mit sich. Keiner weiß genau welcher Weg nachhaltig erfolgversprechend und welcher mit einer – wenn auch nur kleinen Wahrscheinlichkeit – in die falsche Richtung führt. „Fahren auf Sicht“ – lautet die Empfehlung vieler Experten in einer solchen Situation. Und meist wird hinzugefügt „und dabei trotz stürmischer See den Kurs halten und nicht aus den Augen verlieren“. Aber was bedeutet Einigkeit im Vorstand in unübersichtlichen Situationen, wie erreicht man Einigkeit im Vorstand und Management-Team in unplanbaren Zeiten?

Althaus
Wenn alle sich einig sind, ist Vorsicht geboten – warnt der britische Philosoph Bertrand Russell. In Zeiten des radikalen Wandels ist „Uneinigkeit“ eine wertvolle Ressource. Vorausgesetzt alle Beteiligten besitzen die Fähigkeit unterschiedliche Annahmen und Positionen auszuhalten und auszudiskutieren. Gefordert ist eine Management-Kultur, die auf der gemeinsamen Grundüberzeugungen aufbaut, das unterschiedliche Annahmen, Einschätzungen und Positionen in bestimmten Momenten wichtig und notwendig sind. Eine Managementkultur, die auffordert und erlaubt kritisch und ergebnisoffen zu hinterfragen, die Offenheit für neue Sicht- und Denkweisen fördert, die es ermöglicht Undenkbares und Unvorstellbares in die Diskussion einbringen zu können.

Kommt es in einer sich ständig wandelnden Welt vor allem auf geistige Flexibilität an
und wie kann dann der Wunsch der Mitarbeiter nach Kontinuität und Berechenbarkeit erfüllt werden?

Pachali
Alte Ansichten loslassen, sich Neuem öffnen und andere zum Umdenken bewegen – leichter gesagt als getan! Es erfordert eine besondere kognitive Fähigkeit: Die Fähigkeit, Gedachtes zu überdenken und sich von Erlerntem wieder zu lösen. Viele von uns halten jedoch lieber an ihren alten Ansichten und getroffenen Entscheidungen fest und betrachten neue Lösungsansätze zunächst als Bedrohung.

Althaus
Doch um sich weiterzuentwickeln, ist es essenziell, überholtes Wissen und unnütze Meinungen loszulassen. Geistige Offenheit und Flexibilität ist eine Fähigkeit ist, die man lernen kann (und sollte). Denn Zweifel und Irrtümer bringen uns voran, erst ein experimentelles Denken und Handeln ermöglicht ein nachhaltiges „sich-weiterentwickeln“.

In der Wissenschaft und Management-Literatur wird von dem Phänomen des
„eskalierendes Commitment“ gesprochen, was ist damit gemeint?

Althaus
Als eskalierendes Commitment wird ein auf kognitiver Verzerrung basierendes Verhalten bezeichnet, das durch die Tendenz gekennzeichnet ist, sich gegenüber einer früher getroffenen Entscheidung verpflichtet zu fühlen und diese über die Bereitstellung zusätzlicher Ressourcen zu stützen, obwohl sich diese Entscheidung bisher als ineffektiv oder falsch erwiesen hat.

Sie fordern in Ihrem Buch „Rethinking und Unlearning“ –
was konkret bedeutet das im Zusammenhang mit Newworking in Zeiten des radikalen Wandels

Althaus
Die größte Gefahr in Unternehmen geht vom Gewohnten und Gewöhnlichen, dem Etablierten und Bequemen aus – insbesondere in Zeiten des schnellen und nachhaltigen Wandels. Zukunft beginnt nicht mit der Einführung des Neuen, sondern mit dem Abschied vom Alten. Das nennen wir „produktive (Zer)störung. (Zer)störung, die stört, aber nicht „kaputt macht“. Die den Mut zum Aufbruch und die Kraft entstehen lässt, sich von Hindernissen nicht abhalten zu lassen. Das Tempo und die Tragweite des Wandels überforderten viele – auch viele gestandene Manager. Sie macht Angst und einige von uns versetzt sie in Schockstarre.

Pachali
Markus Dauber hat es im Buch so formuliert: „Bedenken zu äußern, scheint die Lieblingsbeschäftigung vieler Verantwortungsträger zu sein. Diesen Widerstand aufzulockern und letztlich zu überwinden, benötigt Zeit. Geduld und Disziplin ist gefordert“.

In Zeiten des radikalen Wandels ist im Management die uneingeschränkte und bedingungslose Bereitschaft zuzuhören, konstruktive Auseinandersetzungen zuzulassen und zugleich mit absoluter Zuversicht und dem Vertrauen an denkbaren Lösungen zu arbeiten zwingend. Wir sollten bereit sein unsere Komfortzone fester Überzeugungen zu verlassen, Zweifel und unterschiedliche Ansichten zuzulassen.