Interview W. Pachali & J. Mohr – Fragen oder Antworten

In unseren Blogbeiträgen veröffentlichen wir Fragen von Workshop-Teilnehmern, Interviews mit Pressevertretern und Gespräche mit Kunden.
Neben dem Autor Wolfgang Pachali nimmt heute der EMC hoch 2 Partner Julian Mohr im Interview Stellung.

Unternehmer sollen Antworten geben, Mitarbeiter verlangen Antworten – Fragen sind Zeichen der Hilflosigkeit. Wie steht Evolve-Management dazu?

Wolfgang
Oh ja, wer „führt“ muss Antworten haben, wer „führt“ muss Antworten geben. Antworten erwartet der Aufsichtsrat von seinem Vorstand, die Führungskräfte von ihrem Vorstand, die Mitarbeiter von ihren Führungskräften. Diese Einstellung hält sich hartnäckig!

Julian
Fragen stellen Vorstände oder Führungskräfte, die keine Antworten haben, die nicht entschlossen genug sind, um klare Vorgaben zu machen. Wer Fragen stellt zeigt Schwächen, ist nicht in der Lage Lösungen eigenständig zu entwickeln. Eine merkwürdige Einstellung!  

 „Wie seht ihr das, was ist eure Meinung, welche Lösungen seht ihr?“ sind solche Fragen verpönt? Wenn ja, auf welcher Ebene und warum?

Wolfgang
Vorstände oder Führungskräfte, die ihren Kolleginnen und Kollegen, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zuhören, bevor sie Entscheidungen treffen, haben meinen Respekt. Und je dringender die Entscheidung ist, desto wichtiger ist es, dass Vorstände und Führungskräfte nicht einfach auf Antworten schalten, sondern ihre Mitarbeitenden fragen.

Julian
Das Angebot zuzuhören sollte ernst gemeint sein, es sollte nicht dem Team das wohlige Gefühl geben, ein bisschen wichtig zu sein. Nein, da steckt schon deutlich mehr dahinter!

Wir sind davon überzeugt, dass echtes Interesse an der Erfahrung, an der Meinung der Kollegen und Teammitglieder der dramatisch bessere Weg ist, ein Unternehmen zu führen. Es ist besser für denjenigen, der gefragt wird. Und besser für denjenigen, der fragt.

Worin seht ihr den Vorteil bei dieser Vorgehensweise?

Julian
Wer fragt führt. Er motiviert zum Mitdenken, er provoziert Mitverantwortung. Wer auf Fragen antwortet, wer seine Erfahrung oder seine Meinung einbringt, macht sich das Thema zu eigen, übernimmt Verantwortung. Er wird zum Mitdenker und Mitgestalter.

Wolfgang
Je mehr mitdenken und mitgestalten, desto mehr erweitern wir unsere Perspektiven. Gleichzeitig gewinnt der Fragende zusätzliche Informationen und kann seine eigenen Annahmen und Lösungsansätze überprüfen. 

Fragen stellen befreit den Fragenden aus der eigenen Blase?

Wolfgang
Ja genau. Und das sollte ein Vorstand/eine Führungskraft sich stets zunutze machen. Themen, die auf höhere Ebene beraten werden müssen, sind meistens komplex und von weitreichender Bedeutung. Wer andere bei der Entscheidungsfindung hinzuzieht, erhöht i.d.R. die Qualität der Entscheidung. Und was später noch viel wichtiger ist, er erhöht von Anfang an die Akzeptanz der Entscheidung.

Julian
Je höher Führungskräfte aufsteigen, desto isolierter werden sie. Sie sind oft von Menschen umgeben, die ihnen sagen, was sie hören wollen, aber nicht mehr, was sie hören müssen. Durch die Frage „Was denkst du?“ können Führungskräfte das Feedback erhalten, das sie brauchen, um von den Vorteilen unterschiedlicher Perspektiven zu profitieren.

Wie wird der Fragende wahrgenommen, was ordnen die Befragten ihm zu?

Julian
Wer nicht gleich eine Antwort hat, sondern zunächst Fragen stellt zeigt sich offen, zeigt sich interessiert für unterschiedliche Sichtweisen.  

Wolfgang
Und diese Offenheit und dieses interessiert sein macht Vorstände und Führungskräfte anziehend: Teams fühlen sich mehr von Vorgesetzten angezogen, die offen und interessiert sind als zu Vorständen/Führungskräften, die stets zeigen müssen, dass sie auf alle möglichen Fragen bereits Antworten haben.   

Das klingt logisch – was steht dieser Vorgehensweise in der Praxis im Wege, was blockiert oder verunmöglicht diesen Weg.

Wolfgang
Das Ego steht im Weg. Das Ego funkt dazwischen. Doch diese Antwort ist zu einfach. Es ist vielmehr die Annahme, dass von einem Vorstand, einer Führungskraft Antworten statt Fragen erwartet werden. Es ist vielmehr die Erwartung des Vorstandes/der Führungskraft an sich, dass man fähig ist Antworten eigenständig zu entwickeln.

Julian
Wenn Vorstände oder Führungskräfte bei ihren Kolleginnen und Kollegen, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stets mit Antworten statt mit Fragen aufwarten zeigen sie, dass man an der Meinung des eigenen Teams nicht interessiert ist. Für das Team ist das jedes Mal eine schmerzhafte Erfahrung, auf Dauer macht sie eine Beziehung auf Augenhöhe zwischen Team und Teamführung unmöglich.

Wolfgang
Vorstände und Führungskräfte werden letztlich an der Qualität und der Durchsetzung ihrer Entscheidungen gemessen. Sie müssen nicht auf alles Antworten haben, sie sollten nicht so tun, als ob sie auf alles Antworten haben. Die Qualität der Entscheidung steigt – insbesondere bei komplexen Themen – mit der Integration unterschiedlicher Sichtweisen, die Durchsetzbarkeit von Entscheidungen steigt – insbesondere bei unterschiedlichen Einschätzungen – mit dem Grad der Integration unterschiedlicher Experten bei der Entscheidungsfindung. Das letzte Wort hat derjenige, der die Entscheidung nicht delegieren kann oder nicht delegieren sollte. Wer fragt führt hat Julian vorhin gesagt – ja, wer fragt führt Teams zu besseren Entscheidungen, zu Entscheidungen, die dann leichter – weil sie mit einer höheren Akzeptanz ausgestattet sind – umgesetzt werden können.