Interview W. Pachali & P. Förster – Die Rolle der Anpassungskompetenz

In unseren Blogbeiträgen veröffentlichen wir Fragen von Workshop-Teilnehmern, Interviews mit Pressevertretern und Gespräche mit Kunden und Geschäftspartnern. Heute erneut dabei die Gründerin und Geschäftsführerin der Beratungsgesellschaft „Auf Sicht“ (Schulung und Beratung für Aufsichtsrecht in Banken – www.auf-sicht.de) Petra Förster

In Zeiten der radikalen Veränderungen sind Entscheider ständig gefordert sich an neue Situationen anzupassen – ohne dabei ihre Identität zu vernachlässigen. Gefordert sind Anpassungen, die aufgrund der „stürmischen See“ und der „Fahrt auf Sicht“ besondere Risiken mit sich bringen.  Welche Rolle spielt dabei die Anpassungs-Kompetenz?

Wolfgang
Die Fähigkeit zur Anpassung hat bei vielen kein gutes Image. Sich anpassen wird gleichgesetzt mit „Sein Fähnlein nach dem Wind drehen“. Sich der jeweils herrschenden Meinung anschließen, opportunistisch, gesinnungslos sein – wie eine Fahne, die immer in der Richtung flattert, in der der Wind weht.“ Aber das ist nur die eine Seite der Medaille.

Petra
Die positive Seite von Anpassungsfähigkeit hat Aristoteles wie folgt beschrieben: „Wir können den Wind nicht ändern, aber wir können die Segel anders setzen. Nicht willkürlich, sondern zur Erreichung eines bestimmten Ziels. Nicht immer, aber in spezifischen Situationen, in denen eine Anpassung an eine neue Situation zur Erreichung eines Ziels notwendig ist.

Worin sehen Sie die spezifischen Gefahren/Risiken bei einer unzureichenden Anpassungs-Kompetenz?

Wolfgang
Die Betrachtung dreier beispielhafter kritischer Momente macht uns die spezifischen Gefahren/Risiken sichtbar:

  1. Nehme ich Veränderungen, die von mir eine Anpassung erfordern würden, überhaupt wahr bzw. nehme ich sie rechtzeitig wahr?
  2. Ist meine Anpassung auf eine Veränderung angemessen oder passe ich mich zu viel bzw. zu wenig an?
  3. Stimmt das Timing meiner Anpassung oder passe ich mich zu früh oder zu spät an die Veränderung an?

Schon an diesen wenigen Beispielen wird die Notwendigkeit einer Wahrnehmungs- und eine Reaktions-Kompetenz sichtbar.

Sie sprechen von Kompetenz, können Sie das noch etwas näher beschreiben?

Wolfgang
Anpassungsfähigkeit ist eine Kompetenz. Wir können sie erlernen und verlernen, wir können sie stärken und kräftigen wie einen Muskel. Aber eben auch vernachlässigen. Wenn wir die Kompetenz etwas genauer betrachten, hilft die Unterscheidung zwischen Eigenschaften und Zuständen. Die Eigenschaften eines Menschen sind sehr stabil und relativ träge hinsichtlich ihrer Anpassungsfähigkeit, im Gegenteil dazu sind die Zustände, die Stimmungen in den wir uns befinden, relativ stark veränderbar und leicht anpassungsfähig.

Petra
Und es gibt „Grauzonen“. Zustände, die relativ stabil, aber nicht in Stein gemeißelt sind, z.B. das Bedürfnis, Informationen zu verstehen. Und es gibt Eigenschaften, die nicht ganz so flüchtig sind wie Stimmungen, aber sich doch ganz gut verändern lassen, z.B. neugierig sein.

Eine klare Einschätzung der eigenen Anpassungskompetenz hilft dabei, festzustellen, wie sehr wir dazu neigen, dass „Fähnlein nach dem Wind drehen“:  Handeln wir eher aus Stimmungen heraus oder eher, weil es unseren Eigenschaften entspricht? In welchen Situationen lassen wir uns eher von Stimmungen leiten als von unseren Eigenschaften? Selbstreflexion ist der Schlüssel zu einem besseren Verständnis der eigenen Anpassungsfähigkeit, der Kompetenz sich situationsgerecht zu verhalten.

Wir befinden uns gerade in „stürmischen Zeiten“, radikaler Wandel steht auf der Tagesordnung, disruptive Veränderungen müssen gemeistert werden. Zur Bewältigung dieser Herausforderung bedarf es einer großen Anpassungsbereitschaft und einer hohen Anpassungs-Kompetenz der Entscheider. Was bedeutet es, anpassungskompetent zu sein, woran kann das ein Entscheider messen?

Petra
Anpassungskompetent zu sein, bedeutet weder notwendige Anpassungen zu ignorieren noch sich von ihnen lähmen zu lassen. Anpassungskompetente Entscheider haben gelernt, nicht der Versuchung zu erliegen z.B. den leichten Weg zu wählen (z.B. Veränderungen ignorieren), haben gelernt, z.B. sich zu überwinden (z.B. sich auch bei unangenehmen Veränderungen zu bewegen). Das Ausmaß unserer Anpassungsfähigkeit können wir messen und durch Lernen verbessern. Anpassungskompetenz bezieht sich auf drei Ebenen, anpassungskompetent zu denken, zu fühlen und zu handeln. Diese drei Ebenen hängen voneinander ab, wirken aufeinander ein: denken bewirkt fühlen und handeln, fühlen bewirkt denken und handeln, handeln bewirkt fühlen und denken.

Wolfgang
Anpassungskompetente Menschen haben gelernt in der Wahrnehmung von Veränderungen „wendiger zu werden“, umdenken zu können. Sie haben sich die Kunst angeeignet, Dinge am Rande der eigenen Wahrnehmung zu erkennen, sie filtern relevante Informationen aus dem Wust der Wahrnehmungen. Sie haben verstanden, dass Nostalgie (Denken, Fühlen und Handeln in gewohnten Bahnen) wie eine Lernbremse wirken kann. Sie üben, Veränderungen wahrzunehmen und zu beschreiben, ohne sie gleich zu bewerten. Dabei nutzen sie häufig eine ausgesprochen nützliche Technik. Die Technik: „If not, if what. Wenn nicht … was dann“. Wenn nicht das eintritt, worauf wir uns eingestellt haben, welche Anpassung sollte ich dann vornehmen. Wenn etwas nicht so ist, wie wir es prognostiziert haben, wie können wir unser Ziel dennoch erreichen. Und sie haben gelernt, Abstand zum Ereignis aufzubauen, z.B. durch die Frage: „Wie wahrscheinlich ist das, was eintreten könnte“.

Das klingt alles sehr rational, spielen Emotionen keine oder nur eine untergeordnete Rolle?

Petra
Ein zweiter wichtiger Faktor ist die Fähigkeit, Emotionen zu regulieren. Je mehr wir daran glauben, dass wir Einfluss auf eine Veränderung nehmen können, desto weniger überfluten uns negative Emotionen, desto mehr sind wir bereit, Lösungen zu finden. Und in der Folge auch nach möglichen Lösungen zu suchen.  Emotionale Überflutungen können wir regulieren, indem wir uns unsere Interpretationen bewusst machen. Interpretationen, mit denen wir uns erklären, warum eine Situation so und nicht anders ausgegangen ist, welche Rolle wir dabei gespielt haben und welche Konsequenzen wir daraus ziehen.

Wolfgang
Unsere Anpassungsfähigkeit wird erheblich davon beeinflusst, mit welchen Bewältigungsstrategien wir an eine Veränderung herangehen: Gehen wir auf die Veränderung eher vermeidungs- oder eher lösungsorientiert heran. Entscheider, die vermeidungsorientiert an Veränderungen herangehen, versuchen sich z.B. in einer beängstigenden Situation eher abzulenken, oder sie zu negieren. Lösungsorientierte Entscheider nehmen die Veränderung – auch wenn sie noch so unangenehm ist – wahr als eine Veränderung, die sie beeinflussen können und suchen daher automatisch nach Lösungen.

Wie können wir unsere Anpassungsfähigkeit, unsere Anpassungskompetenz erweitern?

Petra
Wer seine eigene Anpassungskompetenz erweitern will, der reflektiert regelmäßig: Mit welchen Verhaltensautomatismen reagiere ich häufiger auf Veränderungen? Auf welche Veränderungen reagiere ich mit welchem Verhaltensautomatismus? Wie würde ich mit einer Veränderung umgehen, wenn ich einmal nicht mit meinen typischen Lieblings-Verhaltensautomatismen reagieren würde?

Wolfgang
Entscheider, die sich der Risiken einer unzureichender Anpassungskompetenz bewusst sind, reagieren sensibler und beobachten ihren Verhaltensautomatismus genauer. Neige ich zum Beispiel dazu, eher auf Veränderungen zuzugehen oder mich vor ihnen zu schützen, erlebe ich eher Freude/Neugierde beim Aufkommen einer Veränderung oder eher Angst/Furcht/Schmerz, reagiere ich auf Veränderungen eher proaktiv oder eher reaktiv?