Interview W. Pachali & P. Förster – Die Anforderungen der MaRisk

In unseren Blogbeiträgen veröffentlichen wir Fragen von Workshop-Teilnehmern, Interviews mit Pressevertretern und Gespräche mit Kunden und Geschäftspartnern. Heute erneut dabei die Gründerin und Geschäftsführerin der Beratungsgesellschaft „Auf Sicht“ (Schulung und Beratung für Aufsichtsrecht in Banken – www.auf-sicht.de) Petra Förster

Der unternehmerische Erfolg ist das Resultat einer erfolgsversprechenden Strategie und ihrer konsequenten Umsetzung. Dabei rücken mehr und mehr die Anforderungen der MaRisk (Risiko-Appetit, Risiko-Kultur) in den Mittelpunkt von Strategie-Entwicklung und Strategie-Umsetzung. 

Inwiefern spielen die MaRisk-Anforderungen eine Rolle bei der Strategie-Entwicklung?

Petra 
Die MaRisk stellen Aufsichtsräte, Vorstände, Führungskräfte und MaRisk Verantwortliche vor neue Herausforderungen – insbesondere bei der Festlegung der Unternehmensziele und Unternehmensstrategien. Vor der Festlegung der Unternehmens-Ziele/-Strategien ist eine umfassende Risiko-Inventur durchzuführen. Danach gilt es den Risiko-Appetit mit den beabsichtigten Unternehmens-Zielen abzugleichen. Und damit ist die Risiko-Kultur letztendlich ein wesentlicher Pfeiler der Unternehmensstrategie. 

Welche Hindernisse beobachten Sie in den Banken bei der Anwendung der MaRisk-Anforderungen im Rahmen der Entwicklung der Unternehmens-Ziele und -Strategien? 

Wolfgang
Bei der Anwendung unseres Audits zur Positionsbestimmung MaRisk, stellen wir immer wieder gravierende Unterschiede zwischen Aufsichtsrat, Vorstand und MaRisk-Verantwortlichen fest. Das fängt bei Begrifflichkeiten an, wie z.B. was verstehen wir unter Risiko-Kultur und geht weiter über inhaltliche Fragen, woran messen wir die Risiko-Kompetenz der relevanten Mitarbeiter bzw. was sind die Eckpunkte der gewünschten Risiko-Kultur. 

Welchen Stellenwert hat die „Risiko-Kultur“ in diesem Zusammenhang?

Petra
Einen sehr großen Stellenwert. Risiko-Kompetenz schafft die notwendige Sensibilität für Risiken und deren Bewertung. Die gewollte Risiko-Kultur gibt den Mitarbeitern die nötige Orientierung und Sicherheit im Umgang mit Risiken und ermöglicht eine regelmäßige Messung (Risiko-Kultur-Analyse) inwiefern sich alle an die gewollte Risiko-Kultur halten. Nur wenige Volksbanken Raiffeisenbanken haben Erfahrung in der Positionsbestimmung der vorhandenen Risiko-Kultur bzw. in der Entwicklung und Implementierung der gewünschten Risiko-Kultur. Aus diesem Grund haben wir einen speziellen Risiko-Kultur-Audit entwickelt, der den Banken hilft Transparenz zu schaffen und eine Diskussionsgrundlage zu haben. 

Was passiert in den Banken, wenn sie Ihren Audit „MaRisk-Positionsbestimmung“ bzw. Ihren Audit „Risiko-Kultur“ durchführen?

Petra
Es entsteht Transparenz, es entsteht Verständnis. Es wird Sprachfähigkeit hergestellt, die unterschiedlichen Kenntnisstände und Einschätzungen werden sichtbar und damit diskussionsfähig. Auch latente Konflikte und Widerstände werden erkannt und können so aktiv angesprochen und aufgelöst werden. Und das Wichtigste: Die Verantwortlichen auf allen Ebenen – Aufsichtsrat, Vorstand, Führungskräfte – erkennen ihre Ressourcen und Stärken, um mit den Anforderungen der MaRisk erfolgreich umzugehen. Es wächst eine konsequente lösungsorientierte Haltung. 

Wie würden Sie den Handlungsbedarf beschreiben, der im Rahmen dieses Prozesses entsteht?

Petra
Aus theoretischen Überlegungen wird praktische Erkenntnis, aus Wissen wird Können. Den Verantwortlichen fehlt es häufig an wirkungsvollen Werkzeugen, Formaten oder Tools, zeitgemäße Methoden zur Schaffung von Transparenz und zur Durchführung eines professionellen Strategie-Dialogs. Die MaRisk zwingt zur Konkretisierung: Zählen, messen, wiegen. Und sie zwingt zur Beteiligung aller Mitarbeiter auf allen Hierarchieebenen. 

Lässt sich die Risiko-Kompetenz von Führungskräften durch Trainings/Schulungen ausbauen?

Wolfgang
Wie jede Kompetenz lässt sich auch die Risiko-Kompetenz durch Trainings und Schulungen ausbauen. Sowohl auf der Ebene des Risiko-Bewusstseins und der Akzeptanz von Risiken als auch auf der Ebene des maßgeblichen Hintergrundwissens, wie z.B. Risiken, die sich z.B. aus Wahrnehmungsfehlern ergeben oder Risiken, die sich aus unserer Art des Denkens ergeben. Also Gewohnheiten, Vorurteile oder Stereotypen die unser Denken prägen. 

Können Sie dazu ein Beispiel nennen?

Petra
Komplexität in Verbindung mit einer großen Auswahl an Entscheidungsmöglichkeiten führen zu Unsicherheit. Und damit zur Frage, wie gehen die Betroffenen mit Unsicherheit um, was fühlen, was denken sie in einer unsicheren Situation. Vorstände und Aufsichtsräte müssen oft weit in die Zukunft reichende Entscheidungen treffen – wissend, dass sie weder die Zukunft vorhersehen können noch die möglichen Veränderungen, die sich aus diesen Entscheidungen ergeben. Und dabei dürfen wir nicht vergessen: Dass in solchen Situationen persönliche Interessen, das Machtgefüge zwischen den handelnden Personen oder Zeitdruck eine bedeutende Rolle spielen. Also Faktoren, die eher eine emotionale als eine rationale Denkweise unterstützen. 

Wolfgang
Noch ein Beispiel: Jeden Tag wägen wir bei unseren Entscheidungen zwischen Effizienz und Sorgfalt, zwischen Schnelligkeit und Gründlichkeit ab und gehen letztlich einen Kompromiss ein. Wir müssen Kompromisse machen, denn beides lässt sich nicht gleichzeitig erreichen. Der dänische Professor für Resilience Engineering, Dr. Erik Hollnagel hat das mit dem Satz „100 % Gründlichkeit und 100 % Effizienz schließen sich gegenseitig aus“ auf den Punkt gebracht. 

Es ist immer wieder zu hören, dass sich Aufsichtsräte und Vorstände nicht allzu gerne mit dem Thema MaRisk beschäftigen – stimmt das?

Wolfgang
Aufsichtsräte und Vorstände beschäftigen sich gerne mit Themen, bei denen sie mitreden können. Sie fühlen sich wohler und handeln aufgeschlossener, wenn Sie über Dinge kontrovers diskutieren, die sie kennen und beherrschen. MaRisk ist nicht unbedingt ein Lieblingsthema, aber es wandert auf der Agenda der Aufsichtsräte und Vorstände immer höher. Unsere Aufgabe ist es die Relevanz des Themas hochzuhalten und mehr und mehr Möglichkeiten aufzuzeigen, wie die notwendigen Kompetenzen ausgebaut werden können. 

Durch die MaRisk werden Vorstände dazu gezwungen sich mit den Risiken zu beschäftigen. Liegt hier nicht auch eine Chance? Also können die MaRisk helfen Chancen zu erkennen?

Wolfgang
Ein geflügeltes Wort lautet „In jeder Chance liegt ein Risiko, in jedem Risiko eine Chance“. Je mehr die Banken sich mit dem Thema „anfreunden“, desto auffälliger werden die Chancen, die im Risiko-Management liegen. Früher hat man primär die Schattenseiten von „Fehlern“ betrachtet, heute beschäftigen wir uns intensiv mit der „Sonnenseite“, sprechen über die Notwendigkeit einer innovationsfördernden Fehlerkultur. Wir haben gelernt, dass Fehlerkultur bedeutet nach vorne zu blicken, um den nächsten Fehler zu verhindern, nicht zurückzublicken, um zu bestrafen.