Interview W. Pachali & G. Althaus – Über den Wechsel von Strategien, Zielen und Geschäftsfeldern

In unseren Blogbeiträgen veröffentlichen wir Fragen von Workshop-Teilnehmern, Interviews mit Pressevertretern und Gespräche mit Kunden.

Aufgrund des derzeitigen Wandels in Gesellschaft und Wirtschaft überprüfen viele Unternehmen ihre Strategien, Ziele und Geschäftsfelder und wollen sich in diesem Zusammenhang organisatorisch neu aufstellen. Was muss dabei aus Ihrer Sicht Herr Althaus, Herr Pachali beachtet werden?

Althaus
„Structure follows Strategy”, die Struktur eines Unternehmens soll seiner Strategie folgen – so hat es Alfred J. Chandler jr. formuliert. Damit hat er die Notwendigkeit der organisatorischen Weiterentwicklung im Rahmen einer strategischen Neuausrichtung betont. Die neuen Strategien verlangen nach mehr interdisziplinärer Zusammenarbeit, nach Abbau von Silos. Deshalb diskutieren derzeit viele Unternehmen den Ansatz der Team-Organisation. Dieses Organisationsmodell verspricht, u.a. durch den Abbau von Hierarchien, schneller und flexibler zu werden.

Pachali
Jede organisatorische Weiterentwicklung benötigt eine nachvollziehbare und begeisternde „Story“ damit die Mitarbeiter bereit sind daran aktiv mitzuwirken. Damit kein Widerstand entsteht ist es wichtig die Schlüsselfragen überzeugend zu beantworten: Warum ist die organisatorische Weiterentwicklung notwendig, warum jetzt? Was verändert sich konkret, welche Auswirkungen hat es auf mich persönlich? Überzeugungsarbeit braucht Zeit. Deshalb ist es wichtig so früh wie möglich diesen Prozess zu starten, möglichst aus der Position der Stärke heraus, damit die notwendigen Veränderungen nicht unter Zeitdruck umgesetzt werden müssen.

Wo kann und sollte eine solche Veränderung anfangen?

Althaus
Zunächst in den „Köpfen“ der Betroffenen. „Team-Organisation“ ist Ausdruck einer Haltung, eines Selbstverständnisses. Es geht nicht darum aus „Kästchen“ Kreise, aus Abteilungen Teams zu machen. Es geht darum „Teams“ zu leben, Verantwortung abzugeben damit andere mehr Eigenverantwortung übernehmen können, nicht alles selbst machen zu wollen, damit andere mehr selbst gestalten können.

Pachali
Der Ökonom Peter Drucker hat einen Satz geprägt, der an Deutlichkeit nichts zu wünschen übriglässt: „Culture eats strategy for breakfast.“ Unsere Haltung entscheidet. „Ich erlebe fachlich exzellente Vorstände, die leidenschaftlich das Tagesgeschäft überwachen, Budgets, Vertriebszahlen und die Einhaltung von Organisationsanweisungen kontrollieren. Sie versuchen operative Probleme im Klein-Klein zu lösen, Risiken zu messen um sie angeblich dann „zu managen“. Ihr Fokus liegt auf der Gegenwart, auf der Optimierung des Bestehenden, ihr Alltag ist davon geprägt, Bedenken zu äußern und kritische Fragen zu stellen“ so schätzt Markus Dauber die Situation ein.

Kann man einen solchen Prozess „alleine“ bewältigen oder braucht man externe Unterstützung?

Pachali
Externe Unterstützung ist zumindest zu Beginn sehr hilfreich. Das Know-how des Externen erleichtert und beschleunigt, die Erfahrung des Externen hilft erste Hürden/Widerstände zu meistern, die Neutralität des Externen hilft „Betriebsblindheit/Scheuklappen“ zu überwinden.

Althaus
Mit der Zeit aber sollte sich der Prozess verselbständigen, sollte im Unternehmen ein internes Team den Fortschritt der Initiative vorantreiben. Organisationsentwicklung ist kein Projekt mit einem Anfang und einem Ende. Die Weiterentwicklung einer Organisation sollte als ständige und selbstverständliche Aufgabe verankert werden.

Wie gelingt es, nicht immer wieder in alte Muster zurückzufallen?

Pachali
Das ist eine sehr große Herausforderung. Mit den „alten Mustern“ wurden wir erfolgreich. Wir müssen also aufgeben was uns erfolgreich gemacht hat. Wir müssen Stärken loslassen, unseren Schatz an Erfahrungen aufgeben. Das schafft niemand von heute auf morgen.

Althaus
Erstens: Die gegenseitige Akzeptanz, dass man immer mal wieder in alte Muster zurückfällt. Zweitens: Die wechselseitige Aufforderung, das Neue auszuprobieren, gemeinsam zu erlernen. Drittens: Routinen fest zu verankern, z.B. wöchentlich ein Standup-Meeting. Yvonne Zimmermann schreibt in unserem Buch: „Wirtschaft, Gesellschaft und Politik brauchen mutige Führungskräfte, die etwas verändern wollen! Die bereit sind, sich selbst zu reflektieren, das eigene Führungsverhalten und das eigene Führungsverständnis kritisch infrage zu stellen und weiterzuentwickeln, wenn es den Mitarbeitern und den Unternehmen guttut“ Führung heißt nicht nur Führung von Mitarbeitern, sondern auch Selbstführung und hierzu gehört auch die persönliche Weiterentwicklung: Offen zu sein für Neues, Lebenslanges Lernen und das Hinterfragen von Handlungsmaximen und Glaubenssätzen

Welche Rolle spielt die Kommunikation in diesem Prozess? Welche Regeln muss man dabei einhalten?

Pachali
Die erste und wichtigste Regel lautet: Du kannst nicht zu viel kommunizieren. Die Aufgabe der Kommunikation ist es den Prozess der Weiterentwicklung durch eine einfache und verständliche Sprache zu unterstützen, einfache und starke Bilder in den Köpfen entstehen zu lassen. Erfolgreiche Kommunikationsarbeit macht Betroffene zu Beteiligten, sie baut Widerstände und Hindernisse so früh wie möglich ab, entwickelt Neugierde und erzeugt Spaß am Experimentieren und Lust auf Weiterentwicklung.

Althaus
Ein schönes Beispiel für eine gelungene Verankerung von Bildern ist der Vergleich zwischen dem Steuerungsmechanismus „Ampel-Kreuzung und Kreis-Verkehr“. Heute steuern noch viele Unternehmen nach dem Ampel-Prinzip: Bei Rot stehen die Autos, auch wenn keiner bei Grün fährt. Morgen werden die erfolgreichen Unternehmen nach dem Prinzip „Kreis-Verkehr“ steuern. Weil sie durch die Vorgabe einfacher Leitlinien (wer im Kreis ist, hat Vorfahrt) schneller und flexibler sein werden – statt ständig mit rot, gelb und grün den fließenden Verkehr zu behindern.

Offensichtlich fehlt es vielen Unternehmern aktuell an einer klaren Strategie. Wie entwickelt man diese – und wie nimmt man seine Mitarbeiter dabei mit?

Althaus
Der technologische und gesellschaftliche Wandel stellt viele bewährte und erfolgreiche Geschäftsmodelle grundlegend in Frage. Und dieses „in-Frage-stellen“ sollte jeder Unternehmer aktiv in sein Unternehmen hineintragen. Die Mehrzahl der Mitarbeiter sind willig und fähig sich an diesem Veränderungsprozess zu beteiligen. Gespräche, Workshops … entscheidend ist die unmittelbare Beteiligung möglichst vieler Betroffenen. Strategiearbeit muss im Alltag verankert werden, sonst gewinnt immer das Dringliche gegen das Wichtige!

Pachali
Die Unternehmer, die diesen Weg gehen, haben erkannt, dass sie ihre Mitarbeiter nicht überfordern, wenn sie mit ihnen gemeinsam die Marktveränderungen beleuchten und gemeinsam den eigenen Handlungsbedarf bestimmen. Sie überfordern sie dann nicht, wenn sie ihnen ausreichend Zeit geben, sich die neuen Fähigkeiten anzueignen. Die Mitarbeiter sind bereit auch holprige und neue Wege mitzugehen, wenn ihnen stets die notwendige Wertschätzung entgegengebracht wird, wenn sie das Gefühl haben, dass ihre Ängste und ihre individuellen Probleme ernstgenommen werden.

Hat man seine Strategie und Ziele einmal festgeschrieben – wie geht es dann weiter?

Althaus
Dann beginnt die eigentliche Arbeit. Die Umsetzung! Die meisten Unternehmen scheitern nicht an der Entwicklung von neuen Zielen und innovativen Strategien, sondern an deren Umsetzung. Am Transfer der Absicht in den Arbeitsalltag.

Pachali
In vielen Unternehmen gibt es die „stille Mehrheit“, die gelernt hat Pläne „versanden“ zu lassen. „Unauffälliges Aussitzen“ ist ein dickes Brett, das nur mit Disziplin und Geduld durchbohrt werden kann. Jetzt ist der Unternehmer als Vorbild gefordert, jetzt wird er argwöhnisch auf Schritt und Tritt beobachtet – ob er es wirklich ernst meint.

Wie funktioniert Veränderung am besten: mit einem radikalen Schnitt oder in kleinen Schritten?

Althaus
„Tust Du Gutes, tu es langsam. Tust Du Böses, tu es auf einmal.“, rät Machiavelli. Ich bin der festen Überzeugung, dass ein evolutionärer Ansatz nachhaltiger und erfolgreicher ist. Aus meiner Sicht geht es darum, Bestehendes weiterzuentwickeln. Daher empfehle ich keinen radikalen schmerzhaften Schnitt, sondern mit vielen kleinen Schritten sich auf dem Weg zum Ziel zu machen. Alle mitnehmen, und jedem, der mitgehen will, helfen den Weg gemeinsam zu gehen. Und dieser Appell an die Geduld aus dem Mund eines ewig Ungeduldigen. 

Einmal angenommen, man ist seit vielen Jahren Unternehmer und möchte Hierarchien abbauen. Wie schafft man es, loszulassen Verantwortung abzugeben?

Pachali
Erfolgreiche Unternehmer sind starke Persönlichkeiten, die gerne Verantwortung übernehmen, die anpacken wollen, die nicht „loslassen“, bis sie ihr Ziel erreicht haben. Deshalb ist der Ansatz „loslassen müssen“ wenig nützlich. Nützlicher ist ihnen zu zeigen, wo sie gefordert sind, wo sie Entscheidungen zu treffen haben, wo sie handeln sollen.

Althaus
Letztlich bringen modernere Organisationsmodelle nur eine neue Aufgaben-Verteilung mit sich, sie ordnen die Prioritäten neu. Die Aufgabe des Unternehmers, der Führungskraft ist die Entwicklung der Richtung, ausgedrückt in der Beantwortung der Frage nach dem „Was“, „Wann“ und „Warum“. Also die Verantwortung dafür zu übernehmen, was bis wann und warum erreicht werden soll. Die Mitarbeiter haben die Aufgabe das „Wie“ zu gestalten und die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass das „Wie“ rechtzeitig umgesetzt wird. Der Unternehmer hat nicht weniger Verantwortung – er hat eine andere Verantwortung.

Pachali
Weniger Hierarchie entfernt doch den Unternehmer nicht von seiner Mannschafft, sondern im Gegenteil, weniger Hierarchie bringt den Unternehmer näher ans „Geschehen“ – und genau das liebt er doch.

Wie sehen Sie die Chancen für die Unternehmen? Ist ausreichend Wille zur Veränderung da? Und Durchhaltevermögen?

Althaus
Der Wille zur Veränderung ist vorhanden. Jeder sieht den Handlungsbedarf, jeder spürt die Notwendigkeit der Weiterentwicklung. Niemand kann die Digitalisierung aufhalten, die „Digital Natives“ werden anders einkaufen, sie werden andere Anforderungen an die Arbeitswelt und an das Verhalten von „Vorgesetzten“ stellen.

Pachali
Was wir nicht aufhalten können, das sollten wir gestalten. Heute für morgen Initiative entwickeln – sollte die Motivation sein. Aus der Position der Stärke heraus, gemeinsam mit den Betroffenen das Notwendige weiterentwickeln.

Althaus
Die komplexen und ständig wechselnden Herausforderungen der Zukunft werden die Unternehmen nur mit flexiblen Einheiten statt mit starren Silo-Strukturen meistern können. Mit mehr Eigenverantwortung und Eigengestaltung aller Mitarbeiter. Mit Resilienz und Durchhaltevermögen – ja, Durchhaltevermögen wird die entscheidende Fähigkeit sein, damit nicht die Bremser und Warner, die Besitzstandswahrer und Aussitzer das Ruder übernehmen. Aber war Durchhaltevermögen in der Vergangenheit weniger gefordert?