Interview W. Pachali & G. Althaus – Innovationen verankern

In unseren Blogbeiträgen veröffentlichen wir Fragen von Workshop-Teilnehmern, Interviews mit Pressevertretern und Gespräche mit Kunden.

Innovation gilt als das Rückgrat vieler Unternehmen, insbesondere der mittelständischen Wirtschaft.
Wie schwer ist es Innovation in einem Unternehmen zu verankern?

Wolfgang
Eigentlich ganz einfach. Aber wie immer ist das „Einfache“ besonders schwer. Nehmen wir als Beispiel die Ford-Geschichte. In den Anfängen wurde jedes Auto an einem Ort gebaut. Fabrikarbeiter kamen mit den notwendigen Teilen zum jeweiligen Auto. Ein Mitarbeiter von Ford besuchte eines Tages einen Schlachthof und sah, dass dort mit einer Demontagelinie gearbeitet wurde. Die Tiere wurden entlang einer Schiene bewegt und die Arbeiter schnitten ihre spezifischen Teile heraus. Aus der Beobachtung entstand die Idee, Autos auf dieselbe Art und Weise zu bauen: Das Auto fährt und die Arbeiter bleiben mit ihren Teilen stehen.

Die Ford-Geschichte zeigt, dass Innovation auch eine ganz einfache Seite haben kann: Aus aktiver Beobachtung entstand ein neuer Lösungsansatz.

Kann Innovation erzwungen werden?

Günter
Nein. Innovation kann nicht erzwungen werden – sie geschieht, wenn die Bedingungen stimmen, wenn eine innovationsfördernde Kultur besteht. Unternehmen können jedoch aktiv auf ihre Kultur einwirken und so die Ausgangslage für Innovation verbessern.

Wolfgang
Meine Generation hat sich in der Schule noch mit der Mengen-Lehre herumgeschlagen. Stell dir einen Kreis „Wissen/Information“ und einen Kreis „Herausforderung/Problemstellung“ vor. In der Schnittmenge von „Wissen/Information“ und „Herausforderung/Problemstellung“ entsteht Innovation – je größer die Schnittmenge, desto größer die Chance.

Kann Innovation gefördert werden, wenn ja, wie?

Wolfgang
Nach unserer Erfahrung gibt es vier Treiber. Dazu zählen …

Erstens: Das schnelle Testen neuer Ideen mit minimalem Ressourceneinsatz.

Zweitens: Die Verfolgung einer ambitionierten Zielsetzung z.B. nach dem 10X-Prinzip,

Drittens: die Bereitschaft und Fähigkeit zu einer interdisziplinären Kollaboration

Und viertens: Die Erfüllung der Erwartung nach „psychologischer Sicherheit“

Können Sie das etwas konkretisieren …

Günter
Innovative Teams setzen sehr stark auf sogenannte „Sprints“. Ihr Motto z.B.  „Fail fast – learn fast”. Die Innovation nimmt schneller Geschwindigkeit auf. Ein anderes Motto lautet: „Eat your own Dogfood” – „Friss Dein eigenes Hundefutter“. Klingt brachial. In Unternehmen, die den Ansatz „Dogfooding“ verfolgen, werden die Mitarbeiter*innen konsequent verpflichtet die eigenen Produkte und Innovationen zu testen. Das Ziel: Verbesserung der Qualität, Demonstration von Vertrauen in die eigenen Produkte und Innovationen.

Wolfgang
Ein weiterer Schlüssel ist das sogenannte divergente Denken oder 10x-Denken. Um den Kopf freizumachen für bahnbrechend Neues lautet die Devise „Versuche nicht Dinge um 10 Prozent zu verbessern – sondern um das Zehnfache. So werden radikal neue Gedanken herausgekitzelt! Es reicht nicht, wenn ein Kreativ-Team sich vornimmt, dass sein Produkt 10 Prozent schneller wird oder um 10 Prozent effizienter. Eine solche Steigerung ist zwar in manchen Fällen ein großer Fortschritt, doch sie ist nicht genug für disruptive Innovation! Kreativ-Teams, die nach 10X vorgehen, streben kein lineares, sondern ein exponentielles Wachstum an.

Wie bewerten Sie die Aussage, dass Kollaboration ein zentraler Eckpfeiler der Innovationskultur ist …

Günter
Kollaboration ist der Nährboden einer nachhaltigen Innovationskultur. Gerade gegenseitige Wertschätzung fördert die Bereitschaft ungewöhnliche Ansätze auszusprechen, ungesehene Möglichkeiten ins Spiel zu bringen, unreife Idee ins Rennen zu schicken.

Wolfgang
Kollaboration und Teamarbeit darf aber nicht als die einzige Variante angesehen werden. Es gibt nicht nur die Schwarm-Intelligenz, es gibt auch die Schwarm-Dummheit. Es gibt kreative Menschen, die ein Team brauchen und es gibt kreative Menschen, die allein am kreativsten sind.

Wie wichtig ist, dass disruptives Denken erlaubt und gefördert wird?

Wolfgang
Disruptives Denken ist das Gebot der Stunde. Eine gute Übung dafür ist z.B. Der aggressive vernichtende Angriff auf das eigene Unternehmen oder das eigene Produkt. Was würde ein „über Leichen gehender“ Wettbewerber tun, um unser Geschäftsmodell zu pulverisieren? Welche innovativen Services oder digitalen Geschäftsmodelle würde er entwickeln, weil er keine Rücksicht auf das bestehende Geschäft nehmen müsste?  

Eine andere sehr wirkungsvolle Methode ist das Kreativ-Team zu bitten sich in andere Personen zu versetzen. Die Fragestellung lautet dann: Was würden ein Elon Musk/Tesla, Tim Cook/Apple, Jack Ma/Alibaba, Mark Zuckerberg/ Facebook, Larry Page/Google, Brian Chesky/Airbnb oder Travis Kalanick/Uber anders machen, wenn er/sie die Aufgabe hätte uns zu dem erfolgreichsten disruptiven Unternehmen weiterzuentwickeln?

Und wie wichtig ist das „Scheitern dürfen“?

Günter
Es ist die Grundvoraussetzung für echte, disruptive Innovationen! „Scheitern dürfen“ ist die andere Seite der Medaille. Wenn „Disruptives Denken“ und „Scheitern dürfen“ nicht als Einheit gelebt werden darf, kann sich die nötige Innovationskultur nicht entwickeln. In der Schule haben wir gelernt, dass „Scheitern“ mit schlechten Noten verbunden ist. Das hat uns geprägt, und diese Erfahrung müssen wir erst verarbeiten und „ent-lernen“.

Was wird unter der Forderung nach „psychologischer Sicherheit“ verstanden?

Wolfgang
Unter „psychologischer Sicherheit“ im Kontext disruptiver Innovation wird verstanden, wie offen die Mitglieder von Innovations-/Kreativ-Teams über Unsicherheit und Unvollkommenheit miteinander gesprochen haben. Gerade für Menschen, die etwas vorantreiben wollen, die etwas von Grund auf neu denken wollen, ist die „psychologische Sicherheit” von größter Bedeutung.

Günter
Der Fokus bei gescheiterten Innovationen darf nicht auf der Person liegen, sondern darauf, warum Innovations-Prozess das Scheitern zugelassen oder sogar verursacht hat. Damit geht ein Grundsatz einher: Projekte dürfen scheitern. Ein gescheitertes Projekt heißt nicht, dass der Projektleiter oder das Projektteam gescheitert ist. Dieses Prinzip schützt nachhaltig vor übermäßiger Risikoaversion.

Innovation bedingt die richtige Kultur?

Günter
Eine echte und nachhaltige Innovationskultur basiert auf der Bereitschaft und der Möglichkeit jeden Tag neue Werkzeuge und neue Fähigkeiten zu erlernen, ständig nach neue Sichtweisen Ausschau zu halten. Vor allem aber eine Umgebung zu schaffen, in der das Streben nach „sich-weiter-entwickeln“ gepflegt wird und eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und neue Lösungsansätze wertgeschätzt werden.