Interview W. Pachali & G. Althaus – Daten, Daten, Daten

In unseren Blogbeiträgen veröffentlichen wir Fragen von Workshop-Teilnehmern, Interviews mit Pressevertretern und Gespräche mit Kunden und Geschäftspartnern.

Daten, Daten, Daten!“, der Kopf sagt ja!
Sind Manager heute datengetrieben oder stecken sie aufgrund der verfügbaren Datenflut in einem D
atendilemma?
 

Günter 
Kennzahlen aller Art sind heute praktisch in Echtzeit verfügbar. Doch bedeuten immer bessere Daten automatisch auch bessere Entscheidungen? 
Bereits der italienische Universalgelehrte Galileo Galilei vertrat die Auffassung: „Miss alles, was sich messen lässt, und mach alles messbar, was sich nicht messen lässt“. Jahrhunderte später spitzte es der Management-Guru Peter F. Drucker weiter zu indem er eine klare rote Linie zog: „Was man nicht messen kann, kann man nicht lenken.“ Daraus folgt der Management-Grundsatz, dass sich Mitarbeiter und Management an konkreten Zahlen messen lassen müssen. 

Wolfgang 
Selbstverständlich gab es auch „Gegenspieler“, die dem uneingeschränkten Datenglauben pointiert widersprachen. Einer davon war der Philosoph und Informatiker Mihai Nadin. Er kurz und bündig: „Wer viel misst, misst viel Mist.“  

Führen bessere Daten immer zu besseren Entscheidungen? 

Günter 
Bessere und schneller verfügbare Daten können zu einer besseren Entscheidungsfindung führen. Metriken bilden die Grundlage für KPIs, die sich auf quantifizierbare Ziele des Unternehmens beziehen. Quantifizierbare Ziele sind bei einer kurzfristigen oder kontinuierlichen Entwicklung i.d.R. belastbar, schwierig wird es bei langfristigen und diskontinuierlichen Entwicklungen.  

Wolfgang 
Zahlen die nach oben gehen, werden gerne positiv, Zahlen, die nach unten gehen, dagegen werden i.d.R. negativ interpretiert.  Doch schon diese beiden Grundannahmen können falsch sein.  

Was meinen Sie damit? 

Wolfgang 
Quantitäten sind sicherlich eine Säule der Erfolgsmessung, eine zweite ist Qualität. Hat das Umsatzwachstum auch zu mehr Kundenzufriedenheit geführt, hat die Renditesteigerung sich positiv auf die Bindung von Leistungsträgern ausgewirkt, wurde durch die Verbesserung der Gewinnfähigkeit auch die Wettbewerbsfähigkeit gesteigert, hat das Wachstum der letzten Monate unsere Fähigkeit zur langfristigen Entwicklungsfähigkeit verbessert?  

Günter 
Mir gefällt ein Zitat von Hermann Josef Abs, dem legendären Chef der Deutschen Bank: „Die Wirtschaft wird an ihren Leistungen für die Gesellschaft gemessen.“ Das kann, muss aber nicht in quantitativen Größen zum Ausdruck kommen. 

Überschattet kurzfristiger Aktionismus den Ansatz langfristiger Konzepte?  

Günter 
Aus Aktionismus entstehen selten langfristig stabile Handlungsempfehlungen. In Zeiten radikaler Marktveränderungen ist strategische Ausrichtung gefordert. Jetzt rücken qualitative Überlegungen in den Vordergrund. Und Maßnahmenpakete, die sicherstellen, dass sich alle an diese halten. Banken, die sich zu sehr mit ihren Zahlen beschäftigen, vernachlässigen meist die Welt außerhalb der Zahlen.  

Wolfgang 
Im Zeitalter des datengesteuerten Managements müssen versierte Führungskräfte auch versierte Nutzer von Daten sein. Kausalität, Korrelation, Präzision, Richtigkeit und Genauigkeit – wer kennt die Unterschiede?  

Wenn belastbare Daten erhoben und nachvollziehbar bilanziert worden sind, fängt die eigentliche Herausforderung erst an: Daten richtig zu interpretieren, und aus den Interpretationen die richtigen Weichen zu stellen.   

Vernunft, Ratio, Intuition, Emotion – sind das die Geschichtenschreiber hinter den Geschichten? 

Wolfgang 
Oh ja, und gerade deshalb bewegt mich stets eine Frage: „was hält vernünftige Menschen davon ab, das Vernünftige zu tun? Schon bei der Frage „Was ist ein vernünftiges, angemessenes Verhalten“ scheiden sich die Geister. Die Wissenschaft sagt: „Es gibt Gründe, die die Vernunft nicht kennt.“ Intuition und Emotion greifen auf Erfahrungen zurück, die so tief sind, dass wir uns ihrer häufig rational gar nicht bewusst sind. Der Verstand wird gerne wegen seiner spaßbefreiten Argumente verpönt. Ja, der Mensch ist ein vernunftbegabtes Wesen und dennoch entscheidet er selbst in kritischen Situationen häufig nicht vernünftig.   

Günter 
Ein Beispiel aus der wissenschaftlichen Forschung: Viele Menschen sind im Grunde zu optimistisch (kaum zu glauben, dass das ein Deutscher sagt). Wir neigen dazu zu glauben, dass Unglücke im Zweifel eher andere treffen werden als uns selbst. Doch die Haltung „Mich wird es schon nicht treffen“. „Ist doch nichts passiert“ wird umgedeutet zu „wird schon nichts passieren“. Die Folge: Risikoblindheit!  

Ein weiteres Beispiel aus der aktuellen Situation: Exponentielles Wachstums – zuerst passiert scheinbar wenig, dann geht alles ganz plötzlich. Schneller als erwartet, schneller als befürchtet! Exponentielles Wachstum können wir uns schlecht vorstellen, sind wir es doch gewohnt linear zu denken.  

 Evolve-Management, d.h. sich weiterentwickeln – welche Messlatte legen sie an die Erfolgsmessung in Unternehmen? 

Günter 
„I’m pretty good in finding stuff that is meaningful for my fans.“ So formulierte es Bruce Springsteen. Besser kann man es nicht ausdrücken! Erfolg ist sinnvolles Wirken. Unternehmerischer Erfolg in einer freien Wirtschaft drückt sich darin aus, dass wir bei unseren Kunden, Mitarbeitern und Eigentümern etwas bewirken – ein langfristig sinnvolles Wirken. Treue Kunden sind die Grundlage für langfristigen Erfolg und Resilienz. Und Kundenzufriedenheit beginnt mit Mitarbeiterzufriedenheit. 

Wolfgang 
Ich nehme noch einmal die Hilfe von Bruce Springsteen in Anspruch. Eine Liedzeile von ihm lautet: „Is there anybody alive out there?“ Dahinter steckt eine interessante Frage: Bist du wirklich da? Wirklich präsent? Es geht nicht darum, gleich das ganze Unternehmen verändern zu müssen, oft reichen Kleinigkeiten: Sich zu trauen auf „dumme“ Fakten mal klar und deutlich nein zu sagen.  Sich mal zu fragen: Warum machen wir das eigentlich so? Oder zu einer Aussage wie “Zahlen lügen nicht” Position zu beziehen. Das ist nicht immer einfach. Es kann aber einiges bewirken! 

Günter 
Wir können uns gegenseitig dazu bringen, das Richtige zu tun. Wir können uns gegenseitig daran erinnern, vernünftig zu handeln. Wir können unsere Stimme erheben. Jeder von uns kann die Verbreitung von Verhaltensweisen verstärken, die hilfreich sind.  

Harvard Strategieprofessor Michael Porter sagt: „Der Kern einer Strategie besteht darin zu bestimmen, was man nicht macht.“ 

Wolfgang 
Bestimmen, was man nicht macht! Was für ein Hammersatz! Und nun überlege mal, wie viele Organisationen genau das Gegenteil tun. Controlling-Meetings, Brainstorming, Strategie-Workshop – stets um herauszufinden, was sie noch alles tun könnten: neue Märkte erobern, die Servicepalette ausbauen, den Wettbewerber mit einer Rabattschlacht herausfordern….   

Günter 
Und im Gegensatz dazu – wie viele Management-Teams in Banken setzen sich einmal hin und stellen sich ernsthaft die Fragen: Was werden wir in Zukunft nicht mehr tun, was können wir eigentlich weglassen, auf was können wir verzichten?  

Was wir in unseren Evolve-Management-Vorträgen immer wieder betonen: „Etwas NICHT zu tun, ist eine ebenso wichtige Entscheidung wie etwas zu tun. Wenn nicht sogar eine noch wichtigere“. Oder wie Steve Jobs sagte: „Ich bin genauso stolz auf das, was wir nicht tun, wie auf das, was wir tun“.