Interview W. Pachali & L. Althaus – Meetingkultur

In unseren Blogbeiträgen veröffentlichen wir Fragen von Workshop-Teilnehmern, Interviews mit Pressevertretern und Gespräche mit Kunden. Neben dem Autor Wolfgang Pachali nimmt heute der EMC hoch 2 Partner Luca Althaus im Interview Stellung.

Moderne Führung setzt auf die Zusammenarbeit in interdisziplinären Teams, auf agile Meeting-Formate, auf intensiven Dialog, Gedanken- und Erfahrungsaustausch. Kein Wunder, dass die Anzahl der Meetings in den Unternehmen wächst und wächst. Eine gute Entwicklung?

Wolfgang
„Ich kann gerade nicht sprechen, bin im Meeting“ – wer kennt diesen Satz nicht. Ja, Meetings sind in das Herzstück moderner Führung. Meetings sind aber auch ein Kostenfaktor – und sollten daher effizient geführt werden. Werden sie aber häufig nicht. Meetings, die ein Unternehmen weiterentwickeln, nach vorne bringen sollen, sollen Spaß machen. Machen sie aber meistens nicht. Und das hat Gründe.

Luca
Die Gründe sind vielfältig: Die zu hohe Anzahl an Meetings, schlecht vorbereitete Meetings, fehlende Moderationserfahrung der Moderatoren, um nur einige Beispiele zu nennen. Die professionelle Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung haben nicht den Stellenwert, den sie verdient hätten.

Was meinen Sie mit unzureichender Vorbereitung?

Luca
Wir beobachten regelmäßig, dass zu wenig Zeit in die Vorbereitung von Meetings investiert wird. Fragen, wie z.B. „Wer muss an dem Meeting teilnehmen, welches konkrete Ziel soll erreicht werden, mit welchem Format, Moderationsmethode, Moderationstechnik lässt sich dieses Ziel am effizientesten erreichen?“ werden nicht gestellt oder nicht ausreichend bearbeitet. Genau diese Themen aber ermöglichen eine Weichenstellung in Richtung effiziente und teilnehmerorientierte Meetings.   

Wolfgang
Nehmen wir das Beispiel „Teilnehmer“. Es sollten nur die eingeladen werden, die gebraucht werden, um das Ziel des Meetings zu erreichen. Teilnehmen sollten diejenigen, die aufgrund ihrer speziellen Expertise eine eigene Perspektive einbringen können. Die Teilnahme an Meetings darf nicht zu einem „Status-Symbol“ mutieren.

Noch ein Beispiel. Häufig werden Sitzungen durchgeführt ohne „echten“ Moderator. Die Teilnehmer werden sich selbst überlassen mit der Folge, dass ein klarer, strukturierter Prozess nicht sichergestellt wird, dass Abweichungen nicht frühzeitig unterbunden oder Zwischenergebnisse des Meetings nicht sichtbar dokumentiert werden. Lauter „Kleinigkeiten“, die in der Summe zu unzufriedenstellenden oder unproduktiven Meetings führen.

Woran liegt es, dass viele Meetings nicht effizient strukturiert werden?

Wolfgang
Viele Meetings beginnen mit einer Todsünde: Sie starten nicht pünktlich. Und enden mit der nächsten Todsünde: Sie enden nicht zum geplanten Zeitpunkt. Warten auf Teilnehmer ist ein No-Go! Wer zu spät kommt – unabhängig von seiner hierarchischen Position – verhält sich unsolidarisch und stört. Jedes Meeting sollte pünktlich zur vereinbarten Zeit enden. Was z.B. aus Zeitgründen nicht erreicht wurde, wird im Protokoll festgehalten und auf die Tagesordnung des nächsten Meetings gesetzt.

Luca
Darüber hinaus gibt es einige Hilfsmittel für eine strukturiertere und konzentriertere Meetingkultur, das sind z.B. der „Check-In“ und der „Check-Out“. Der „Check-In“ dient dazu, allen Teilnehmenden das Ziel und ihre Rolle im Meeting bewusst zu machen und die Chance zu geben sich auf das bevorstehende Meeting einzustellen. Das sorgt für Fokussierung und eine bewusste Teilnahme am Meeting.
Der „Check-Out“ überprüft die Zielerreichung des Meetings, gibt Raum für Feedback, sowohl zum Inhalt als auch zum Ablauf und damit die Chance, Gutes herauszustellen und Schlechtes für das nächste Meeting zu korrigieren.

Sie empfehlen eine Unterscheidung nach unterschiedlichen Zielsetzungen?

Wolfgang
Oft wird nicht unterschieden zwischen Synchronisations-, Fokus- oder z.B. Kultur-Meetings. Sinn, Ziel und Gegenstand des Meetings bestimmen, z.B. Zeitbedarf und Art der Moderation. Was soll aus Sicht des Auftraggebers/Projektleiters erreicht werden, was sollte aus Sicht der Meetingteilnehmer erreicht werden? Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen:

Synchronisations-Meetings dienen der operativen Abstimmung. Es geht um Informationsaustausch. Im Mittelpunkt stehen Themen wie z.B.: Was passiert in den einzelnen Projekten, das für die anderen relevant ist? Wer hat die Information, die ein anderer gerade braucht, wo stehen wir im Zeitplan, auf dem Weg zum Ziel? Typisches Beispiel ist das tägliche Stand-up-Meeting, das maximal 15-30 Minuten dauert und in Präsenzform oder virtuell als Teams-Meeting durchgeführt wird.

Luca
Ein anderes Beispiel ist das Fokus-Meeting. Hier geht es darum, Themen in der Tiefe zu diskutieren. Jeder Teilnehmer wird angehalten sich intensiv auf ein Fokus-Meeting vorzubereiten, um das Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu beleuchten und unterschiedliche Einschätzungen, Bewertungen Raum zu geben. Fokus-Meetings sind i.d.R. deutlich länger als Synchronisations-Meetings, z.B. 60 oder 90 Minuten lang.

Ganz wichtig und gerne vernachlässigt sind sogenannte Kultur-Meetings. Kultur-Meetings dienen dazu, Spannungen zwischen Teammitgliedern auf den Tisch zu bringen und Konflikte im Team zu lösen. Kultur-Meetings schaffen die Voraussetzungen dafür, dass jedes Team-Mitglied sich offen und klar äußern kann, wenn z.B. das Verhalten anderer Teammitglieder nicht gefällt oder den Teamfortschritt blockiert.

Spiegelt die Art und Weise wie Meetings vorbereitet, durchgeführt oder nachbereitet werden die Kultur im Unternehmen bzw. im Team?

Wolfgang
Zur Logik der Selbstorganisation und Eigenverantwortung gehört eine spezifische Meeting-Kultur. Eine Kultur, die sicherstellt, dass schnell und effektiv Informationen, Know-how und Erfahrungen ausgetauscht und Entscheidungen getroffen werden. Ja, die Art und Weise wie Meetings stattfinden spiegeln durchaus die Kultur im Team bzw. Unternehmen, sie zeigen auf was im Unternehmen geachtet wird, was Relevanz hat, welche Rolle Zufriedenheit und Effizienz im Team spielt.

In Meetings werden häufig Entscheidungen vorbereitet oder Entscheidungen getroffen? Was ist beim Thema „Entscheidungen“ zu beachten?

Wolfgang
In hierarchisch strukturierten Unternehmen besteht die Tendenz, Entscheidungen nach „oben“ zu delegieren. Insbesondere, wenn es sich um „unbequeme“ Entscheidungen handelt. Damit ist i.d.R. ein Transformationsprozess verbunden: die Entscheidung wandelt sich von einer unternehmerischen zu einer politischen Entscheidung.

Luca
Wir empfehlen einen anderen Weg: Entscheidungen sollten primär auf der Ebene der „Könner“ und nicht auf der Ebene der „politisch Verantwortlichen“ getroffen werden. Ja, das ist ein Bruch mit dem klassischen Hierarchie-Verständnis, ein notwendiger Bruch damit Entscheidungen schneller, mitarbeiter- und kundennäher getroffen werden.

Gilt auch hier die Erkenntnis, dass die Art und Weise wie Entscheidungen vorbereitet bzw. durchgeführt werden, die Kultur im Unternehmen spiegeln?

Wolfgang
Wenn Selbstorganisation und Eigenverantwortung nicht als Lippenbekenntnis entlarvt werden sollen, ist ein neues Denken und ein neues Selbstverständnis in Punkto Entscheidungsverhalten notwendig. Gute Entscheidungen sind belastbar und nachvollziehbar, gute Entscheidungen basieren auf Konsultation, auf der Integration von Wissen, Können und Erfahrung in den Entscheidungsfindungsprozessen. Bei diesem Ansatz ist der Entscheider verpflichtet, die besten Personen an der Entscheidung zu beteiligen, er übernimmt damit nicht nur die Verantwortung für die Entscheidung, sondern auch dafür, wer in die Entscheidungsfindung integriert wurde. Oh ja, die Art und Weise wie Entscheidungen vorbereitet bzw. getroffen werden spiegeln sehr deutlich die Kultur des Unternehmens. Gerade in diesen Situationen wird deutlich, ob man es ernst meint mit Selbstorganisation oder Eigenverantwortung.