Interview W. Pachali & G. Althaus – Evolve-Management in stürmischen Zeiten

In unseren Blogbeiträgen veröffentlichen wir Fragen von Workshop-Teilnehmern, Interviews mit Pressevertretern und Gespräche mit Kunden und Geschäftspartnern.

Evolve-Management in stürmischen Zeiten: Renaissance der starken Hand?

In unruhigen Zeiten suchen viele Verantwortliche in den Aufsichtsräten von Unternehmen und Banken wieder die starke Hand im Management – Vorurteil oder mehr?

Günter
Stürmische Zeiten fordern Vorstände und Führungskräfte besonders: Gesucht werden Manager die Zuversicht ausstrahlen, die schnelle und einfach Antworten parat haben und diese überzeugend präsentieren können. Diese Fähigkeiten sind häufig gepaart mit einem großen Ego. Entsprechend ausgeprägt sind die Persönlichkeiten: Von durch und durch autoritär, bis mehr oder weniger narzisstisch.

Manager mit einem starken Ego – was macht deren Anziehungskraft aus?

Wolfgang
Manager mit einem starken Ego, mit durchaus narzisstischen Zügen sind einerseits grandios visionär, andererseits übermütig. Sie halten sich für überlegen, hören weder auf Kollegen noch auf externe Experten. Starkes Ego ist in wirtschaftlich stürmischen Zeiten ein Karriere-Booster – da brauchen wir nicht Drumherum zu reden.

Wie bewerten Sie diese Anziehungskraft vor dem Hintergrund Ihrer Evolve-Management-Forderungen nach Eigenverantwortung und Selbsthilfe?

Günter
Was akut richtig ist, kann mittel- bis langfristig gefährlich sein. So ist es auch hier: Wer den Brand erfolgreich bekämpfen will muss manchmal zu Mitteln greifen, die das Innerste des Unternehmens erschüttern können. In Unternehmen, die ihren Führungsstil in Richtung Eigenverantwortung und Selbsthilfe ausgerichtet haben, stellt dies eine echte Belastungsprobe dar.

Wolfgang
Den „starken Managern“ fällt es schwer, kritische und abweichende Sichtweisen gelten zu lassen. In Meetings bügeln sie gerne Widerspruch nieder. Kollegen und Führungskräfte mit abweichender Meinung sortieren sie mental in ein feindliches Lager ein.

Die Mitarbeiter, denen ihr Job lieb ist, halten sich also mit Kritik am „starken Mann“ zurück, bagatellisieren oder verschweigen vielleicht sogar kritische Informationen?

Günter
Auf lange Sicht bleiben Kollegen und Führungskräften im Umgang mit vermeintlich „starken Männern“ zwei Möglichkeiten: Entweder sie verlassen das Unternehmen, oder sie stimmen dem „starken Mann“ weiterhin in all seinen Entscheidungen zu. Die klugen Köpfe, lassen sich so etwas nicht lange gefallen.

Wohin führt eine damit einhergehende Entfremdung langfristig?

Wolfgang
Es entstehen in diesen Unternehmen zwei Lager: Auf der einen Seite eine eingeschworene Truppe, an der jede Kritik abprallt, ein Kreis aus unerschütterlichen Ja-Sagern und Erfüllungsgehilfen. Auf der anderen Seite jene, die zwischen Kündigung und Widerstand schwanken. Die nicht verzichten wollen auf eigenständiges Denken und Handeln und damit ständig weiter anecken. Eine spannende Situation in der jetzt zum Beispiel der Aufsichtsrat ins Spiel kommt: Unterstützt er den „Brandlöscher“ oder die die „Brandschutz“ betreiben. Es ist die Auseinandersetzung zwischen kurzfristiger und langfristiger Perspektive.

Das klingt doch sehr nach „ideologischem Machtkampf“ – gerade in stürmischen Zeiten doch vollkommen unangebracht – oder?

Günter
„Starke Männer“ haben einen großen Vorteil: Sie gewinnen den Aufsichtsrat, die Presse, Kunden oder Mitarbeiter durch ihre charismatische Art, sie haben eher den Mut, riskante Wege einzuschlagen, sie sind rhetorische Asse, legen den Finger in die Wunde, sprechen knallhart notwendige Veränderungen an. Und genau dieser Vorteil ist gleichzeitig ihr größter Nachteil: Sie stolpern allzu gerne über ihr Stärken.

Sie stolpern über ihre Stärken?

Wolfgang
Genauer formuliert sie stolpern i.d.R. über die Übertreibung ihrer Stärken. Sie machen zu viel allein und holen ihre Schlüsselspieler nicht ausreichend ab. Sie treffen einsame Entscheidungen – trotz komplexer Herausforderungen – und werden schnell als Besserwisser wahrgenommen. Auch vom Aufsichtsrat.

Das klingt so, als liege der Ball jetzt primär beim Aufsichtsrat?

Günter
Leider ja. Es kommt jetzt sehr auf seine Beobachtungsgabe und sein Fingerspitzengefühl an. Wie nimmt er die kulturellen Veränderungen wahr, wie reagiert er auf Kündigungen von Leistungsträgern? Und auf seine Fähigkeit kritische Fragen an den „starken Mann“ zu stellen. Lässt der Aufsichtsrat ihn einfach schalten und walten oder hinterfragt er Bewertungen und Empfehlungen. Eigentlich sind die Veränderungen relativ schnell und eindeutig erkennbar, aber sie wollen häufig nicht gesehen werden. Ohne wirkungsvolle Intervention seitens des Aufsichtsrates kommt es zur Zerreißprobe: Für die Führungskräfte auf beiden Seiten, für den „starken Mann“ und für den Aufsichtsrat – der sich nicht selten analog den Führungskräften – in dieser Phase in zwei Fraktionen aufteilt.

 Stürmische Zeiten in Wirtschaft und Gesellschaft werden so zu stürmischen Zeiten in den betroffenen Unternehmen – mit welchem Ausgang?

Wolfgang
Mit ungewissem Ausgang. Die handelnden Personen entscheiden sich für den einen oder anderen Ausgang. Aus Sicht von Evolve-Management: Entweder kann die Reise gestärkt fortgesetzt werden oder sie versandet. Beide Entwicklungen haben langfristigen Charakter – und fordern damit den Aufsichtsrat zur Entscheidung heraus.

Günter
Für welche langfristige Entwicklung mache ich mich als Aufsichtsrat – bei undurchsichtiger, unruhiger Wirtschaft – stark? Was ist mir als Vorstand und Aufsichtsrat Eigenverantwortung wert? Wie wichtig sind mir selbstdenkende, kritische Führungskräfte? Welche Kultur soll mein Unternehmen auszeichnen – in ruhigen wie in stürmischen Zeiten?  

Für diese Entscheidung braucht der Aufsichtsrat Kompetenz. Die Fähigkeit zu strategischem Denken und Handeln, die Fähigkeit zur Abstraktion und die unbedingte Gewissheit, dass der Aufsichtsrat dem Wohl des Unternehmens verpflichtet ist und nicht einer einzelnen Kunden- oder Mitarbeitergruppe.