Interview W. Pachali & G. Althaus – Archetypen

In unseren Blogbeiträgen veröffentlichen wir Fragen von Workshop-Teilnehmern, Interviews mit Pressevertretern und Gespräche mit Kunden und Geschäftspartnern.

Der BVR stellt in seinem Leitfaden „Wegweiser Organisationsstrukturen in der Omnikanal-Bank“ verschiedene „Archetypen“ vor.
Was ist unter „Archetypen“ zu verstehen?

Wolfgang
Im BVR-Leitfaden werden die folgenden 4 „Archetypen“ dargestellt: 

  1. Archetyp 1: Innovative Bank mit ausgeglichenem Kundenmix und hohem Ambitionsniveau von digitalen Lösungen in einem herausfordernden Wettbewerbsumfeld
  2. Archetyp 2: Kleinere Bank, die bewusst Innovationen schnell adaptiert und vor allem Privatkunden, auch im digitalen Banking, betreut
  3. Archetyp 3: Bank, die mit einer breiten Kundenbasis in einem großen Geschäftsgebiet und einem „konzentrierten“ Wettbewerbsumfeld bewährte Innovationen übernimmt
  4. Archetyp 4: Traditionelle kleinere ländliche Bank, für die eine persönliche Kunden-Berater-Beziehung im Vordergrund steht 

Günter
In der Wissenschaft geht man von „Grundstrukturen menschlicher Vorstellungs- und Handlungsmuster“ aus, sogenannte Archetypen. Das Wort stammt aus dem Griechischen und bedeutet wörtlich etwa „Ur- oder Grundprägung“. Die vom BVR entwickelten Archetypen sollen Orientierungshilfe geben, den Durchblick im Dschungel der Komplexität erleichtern, den Aufsichtsräten, Vorständen und Führungskräften helfen den eigenen Standort zu bestimmen, um dann im Vergleich mit dem entwickelten Zielbild Handlungsfelder zu erarbeiten.

Im o.g. Leitfaden werden Handlungsfelder skizziert, die sowohl den Markt als auch die Produktions- und Steuerungsbank umfassen 

Günter
Korrekt, das Konzept sieht vor, dass sich das Strategie-Team der Bank zunächst für einen der vier o.g. Archetypen entscheidet und dann die folgenden vier Handlungsfelder bearbeitet:   

  1. Organisationsstrukturen
  2. Funktionen und Rollenprofile
  3. Transformationsmanagement
  4. Kapazitätsbedarfe 

Wolfgang
Auch die vorgegebenen Handlungsfelder sind als Orientierungshilfe zu verstehen. Sie machen deutlich, dass die Erreichung eines neuen Zielbildes und die Implementierung einer neuen Strategie zur Erreichung dieses Zielbildes umfangreiche organisatorische und personelle Handlungen notwendig machen. 

Die betroffenen Banken werden offensichtlich nicht mit der Bearbeitung allein gelassen, sondern erhalten die Unterstützung erfahrener Berater aus dem Kreis der Genossenschaftsverbände.

Wolfgang
Ja, und das ist sehr erfreulich. Die regionalen Genossenschaftsverbände sollen ihren Banken bei der Zuordnung des passenden Archetyps helfen und sie auf dem Umsetzungsweg begleiten. Eine ganz konkrete Schrittfolge wird als Handlungsrahmen, z.B. vom Bayerischen Genossenschaftsverband, dargelegt. Im ersten Schritt geben die Experten des Bayerischen Genossenschaftsverbandes einen Überblick, wie Organisationsstrukturen in der Omnikanal-Bank gestaltet werden können. Im zweiten Schritt entscheiden die Teilnehmer über die Zuordnung der Bank zu einem der definierten Archetypen. Im dritten Schritt entwickeln die Teilnehmer zusammen mit den Experten mögliche Organisationsstrukturen, die sich an den Gegebenheiten der Bank orientieren, aber auch die Transformation zur Omnikanal-Bank abbilden. Im vierten Schritt präsentieren die Experten Lösungen, wo zukunftsorientierte Stellen und Anforderungsprofile (Rollen) unter anderem aus Kundenfokus, sowie dem Stellen- und Kompetenzmodell des BVR in den Bereichen Vertrieb, Steuerung und Produktion angesiedelt werden können. Im fünften Schritt geht es darum, das Change-Management an passender Stelle im Organigramm der Bank zu verankern. Im sechsten Schritt schätzen die Teilnehmer mit Unterstützung der Experten die benötigten Mitarbeiterkapazitäten in der Omnikanal-Bank ab, um eine Orientierung für die strategische Kapazitätsplanung in der Gesamtbank zu erhalten. 

Günter
Explizit empfehlen die Experten die Begleitung durch ein internes/externes Change-Management-Team. Dadurch soll der Prozess nach deren Vorstellungen eine „Kommandobrücke“ erhalten, von der aus die Wandlung zur Omnikanal-Bank gesteuert wird. 

Wie passen diese beiden Strategie-Ansätze zusammen bzw. wo bestehen Unterschiede?

Wolfgang
Beide Konzepte animieren die Vorstände/Aufsichtsräte von Volksbanken/Raiffeisenbanken aktiv über die Zukunft ihrer Bank nachzudenken. Wer sich mit den Herausforderungen von morgen beschäftigt, steckt nicht den Kopf in den Sand, verschließt nicht die Augen vor den Herausforderungen, sondern signalisiert zunächst einmal die Bereitschaft zum Anpacken und Handeln. Evolve-Management geht davon aus, dass in Zeiten des schnellen und radikalen Wandels das größte Risiko in der Nicht-Veränderung liegt. 

Günter
Evolve-Management hat ein klares Zielbild „sich und das Unternehmen weiterzuentwickeln“. Ein vorsichtiger risikokompetenter Kaufmann sieht in Zeiten des schnellen und radikalen Wandels das größte Risiko in der Nicht-Veränderung. In einem Artikel in der Bank-Information 05/23 war zu lesen: „Es wird zwischen Instituten unterschieden, die schnell und unter Risiko neue Lösungen einführen (First Mover) und jenen, die auf Risiken verzichten und umfassend erprobte oder etablierte Standard-Lösungen einsetzen („First Follower und „Follower“). In der Schnelllebigkeit unsere Zeit gibt es äußerst selten umfassend erprobte Lösungen und zukunftsweisende Lösungen sind meist nicht in etablierten Standard-Lösungen zu finden.

Welche Rolle spielen Werte, Haltung, Selbstverständnis bei Evolve-Management?

Günter
Evolve-Management setzt auf Werte und Haltung, auf Zuversicht und Zutrauen der handelnden Personen. Wir würden sicherlich nie von einer „Kommando-Brücke“ sprechen, „Befehlen und Befehlen folgen“ widerspricht unserem Selbstverständnis. Evolve-Management setzt auf Eigenverantwortung, Selbstorganisation und Selbsthilfe. Diese Werte gilt es bei einer Re-Organisation zu berücksichtigen, indem trennende „Säulen“ abgebaut und interdisziplinäres Arbeiten erleichtert wird, Kästchen durch Kreise ersetzt und Rollenprofile Stellenbeschreibungen ablösen. Nicht zufällig finden sich die Werte der genossenschaftlichen Organisation im Selbstverständnis von Evolve Management wieder. Ich bin der festen Überzeugung, dass das Leben der vorgenannten Werte nach Innen und Außen jedes Unternehmen besser und zugleich attraktiver für Kunden und Mitarbeiter macht. Die langfristige Wirkung dieses Selbstverständnis ist für mich Resultat strategisch nachhaltiger Unternehmensführung.

Wolfgang
„Sich-weiterentwickeln“ ist ein Prozess, es gibt keinen Endpunkt. Daraus wächst eine Verantwortung an die externen Berater. Der Beratungsprozess muss nach dem Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“ erfolgen. Er darf keine Abhängigkeit erzeugen, er muss die Freiheit der Handelnden über alles stellen. Evolve-Management verzichtet auf „Tu-das-Wegweiser“ oder „Du-musst-Vorschriften“. Veränderungen erreichen nur die, die gleichzeitig an Strategie, Organisation und Kultur arbeiten, um Hierarchie abzubauen und Denkblockaden zu überwinden. Nur mit Geduld, Konsequenz und Disziplin können Unternehmen nachhaltig Veränderung bewirken. Nur mit hungrigen Vorständen und Führungskräften, die nicht auf das Gewohnte, Vertraute und Bequeme setzen, werden die Banken die Herausforderungen der Gegenwart meistern. Um es aber nicht zu vergessen: Veränderer brauchen Rückendeckung. Veränderungswillige Vorstände brauchen veränderungsbereite und risikokompetente Aufsichtsräte.