Interview W. Pachali & J. Mohr – High-Potenziale

In unseren Blogbeiträgen veröffentlichen wir Fragen von Workshop-Teilnehmern, Interviews mit Pressevertretern und Gespräche mit Kunden.
Neben dem Autor Wolfgang Pachali nimmt heute der EMC hoch 2 Partner Julian Mohr im Interview Stellung.

Erfolgsfaktor Personal. Erfolgsfaktor Gewinnung und Bindung von High-Potentials? Wo stehen die Volksbanken/Raiffeisenbanken?

Wolfgang
Volksbanken/Raiffeisenbanken stehen im Zeitalter des Wettbewerbs um die besten High-Potentials vor einer gewaltigen Herausforderung. Die Arbeitnehmermärkte haben sich zugunsten der High-Potentials verschoben. Die Volksbanken/Raiffeisenbanken stehen vor der großen Aufgabe, sich als attraktive Arbeitgeber zu positionieren. Und das gilt im gleichen Maße für kleine wie große Volksbanken/Raiffeisenbanken, für Volksbanken/Raiffeisenbanken in ländlichen wie in urbanen Räumen.

Julian
Employer-Branding muss ernst genommen werden, es darf nicht nur Werbe-Chichi sein. Die Gewinnung und Bindung von High-Potentials muss mehr sein als nur eine HR-Initiative, sie muss als strategische Notwendigkeit angesehen und verankert werden. Die Schaffung einer relevanten und attraktiven High-Potentials-Experience ist ein Schwerpunkt unserer Arbeit im Rahmen der Umsetzung des Evolve-Management-Ansatzes.

Ein Schritt zurück: Was verstehen Sie unter High-Potentials?

Wolfgang
Unter High Potentials verstehen wir junge Führungskräfte z.B. unter 40 Jahren, die bereits eine umfassende Weiterbildung, z.B. an der ADG genossen haben und die die Bank zu High-Performer auf der nächsten bzw. übernächsten Hierarchie-Ebene weiterentwickeln möchte.

Sie haben bereits überdurchschnittliche Leistungsniveaus erreicht, sie leben die Kultur und die Werte ihrer Volksbank/Raiffeisenbank in vorbildlicher Weise vor. Man ordnet ihnen zu, dass sie fähig sind im Unternehmen weiter zu wachsen und bereit sind Verantwortung auf der nächsten oder übernächsten Ebene zu übernehmen.

Julian
Es geht also um junge Führungskräfte, die auf ihrer derzeitigen Management-Ebene bereits zu den Top-Performer gehören, die bereits durch herausragende Leistungen aufgefallen sind. Neben der Fähigkeit zu führen, interdisziplinär zu denken und Verantwortung für Projekte zu übernehmen, verfügen sie über Eigenschaften wie z.B. Belastbarkeit, Flexibilität, Konfliktfähigkeit, Lernbereitschaft, Präsentationsstärke, Selbstbewusstsein, Sozialkompetenz.

Wo genau identifizieren Sie den Handlungsbedarf der Volksbanken/Raiffeisenbanken?

Julian
Der akute Fachkräftemangel verstärkt den schon bestehenden Veränderungsdruck auf die Volksbanken/Raiffeisenbanken. Ob Erfüllung der MaRisk-Anforderungen, Vorbereitung und Verarbeitung von Fusionen oder Umsetzung der digitalen Unternehmens- und Geschäftsfelder-Transformation – gesucht wird die nächste Generation, die High-Potentials, die in der digitalen Welt aufgewachsen sind und die für Schnelligkeit und Power stehen.   

Wolfgang
Die langfristige Leistungsfähigkeit (Run) und die strategische Entwicklungsfähigkeit (Evolve) stehen und fallen mit den vorhandenen Mitarbeiter- und Führungskräfte-Teams. Jede nicht besetzte High-Potential-Stelle wird sich als schmerzhafter Engpass in der Transformation als auch im Tagesgeschäft zeigen. Volksbanken/Raiffeisenbanken sollten daher eine umfassende Strategie für Rekrutierung, Bindung und Entwicklung von High-Potentials im Management verfolgen. Sie werden Antworten entwickeln müssen auf die veränderten Bedürfnisse und Erwartungen der jungen High-Potentials.

Welche Maßnahmen stehen bei Ihrem Evolve-Management Ansatz zur Steigerung der Arbeitgeber-Attraktivität im Vordergrund?

Julian
Banken gelten bei vielen jungen High-Potentials im Vergleich zu den neuen jungen FinTechs als verstaubt. Sie werden mit „strukturell notwendiger Personalreduzierung“ und unzureichender Digitalisierung verbunden. Gerade kleinere und mittlere Volksbanken/Raiffeisenbanken sind, z.B. aufgrund der Übernahmeerwartungen, im Relevant-Set der High-Potentials abgerutscht. Eine nachhaltige Gewinnung und Bindung von High-Potentials verlangen eine intensive Beschäftigung mit allen Faktoren der Arbeitgeber-Attraktivität. Dazu gehören ein authentisches Employer Branding, ebenso wie eine überzeugende High-Potentials-Experience.

Wolfgang
Es geht nicht um Gehalt und Boni, es geht um attraktive Arbeitsplätze, wertschätzende Mitarbeiterführung, um wertschöpfende Strukturen. Es reicht nicht über Purpose oder New Work zu reden. Nur wer es schafft, eine glaubwürdige Employer-Brand sowie eine attraktive High-Potentials-Experience sicherzustellen, wird langfristig nachhaltigen Erfolg haben.

Können Sie das konkretisieren?

Julian
Insbesondere junge High-Potentials reagieren sehr zurückhaltend auf die klassischen Versprechungen in den Hochglanz-Employer-Branding-Broschüren. Sie interessiert weniger was versprochen als vielmehr was tatsächlich gelebt wird. Denen reicht es nicht nur zu lesen oder zu hören, wofür die Bank steht, was sie auszeichnet- das Interesse richtet sich vielmehr darauf welche Werte tatsächlich gelebt werden, welcher Geist, welche Emotionen im Unternehmen herrschen, wie tatsächlich miteinander umgegangen wird. Sie fordern Nachweise wie individuelle Weiterbildungspfade für High-Potentials gestaltet, persönliche interdisziplinäre Weiterentwicklung ermöglicht und tatsächlich umgesetzt wurden, welchen Stellenwert individuelle und kollektive Wertschöpfung hat und wie Wertschätzung erfolgt.

Wolfgang
„Morgen kann kommen“ und „wir machen den Weg frei“ – das ist gut, das zeigt in die richtige Richtung: Mehr Selbstorganisation, mehr Eigenverantwortung, mehr Wertschätzung auf dem Weg vom High-Potentials zum High-Performer auf der nächsten Management-Ebene! Viele Volksbanken/Raiffeisenbanken suchen noch nach den überzeugenden Ansätzen ein authentisches High-Potential-Branding umsetzen zu können. Sie wissen wie wichtig der Abbau von Hierarchien und Silos ist, sie wissen, wie wichtig es ist, dass Kultur und Führung in ihrer Volksbank/Raiffeisenbank den Versprechungen entsprechen. Employer Experience ist die Messlatte, nicht Employer-Branding.

Welche Rolle spielt der Return on Invest beim Thema Arbeitgeber-Attraktivität?

Wolfgang
Investitionen in die Arbeitgeber-Attraktivität sind Investitionen und nicht nur Kosten. Investitionen, die sich schnell rechnen – insbesondere bei den potenziellen Managern der nächsten Generation. Fehlende Investitionen gefährden die Existenz einer Volksbank/Raiffeisenbank. In Zeiten weitreichender Fusionen übernehmen attraktive Arbeitnehmer weniger attraktive. High-Potentials beobachten das sehr genau.

Julian
Aber es geht noch um mehr. Es geht auch um Mitarbeiterzufriedenheit, um Kundenzufriedenheit. Die erfolgreiche Entwicklung von High-Potentials zu High-Performern ist ein wesentlicher Gradmesser für die Zukunftsfähigkeit einer Volksbank/Raiffeisenbank. Zufriedene und erfolgreiche High-Potentials gibt es nur in Unternehmen, die über starke, erfahrene Führungskräfte auf den Ebenen oberhalb der High-Potentials verfügen, die die Dynamik der Jugend nicht beängstigend, sondern motivierend finden. Die auf ein Mentoring von unten nach oben setzen, die die neuen Erwartungen und Kompetenzen als Bereicherung empfinden und es verstehen sie passgenau mit der Tradition und Kontinuität der Volksbank/Raiffeisenbank zu verbinden.

Eine bessere Employer-Experience – ein besseres Personalmarketing – eine erfolgreichere HR-Arbeit?

Wolfgang
Ein leidenschaftliches Engagement zur Steigerung der Arbeitgeberattraktivität ist keine Option mehr, sondern eine strategische Notwendigkeit. Durch ein zielgerichtetes, innovatives Personal-Marketing und eine konsequent auf Zukunft ausgerichtete HR-Arbeit können Volksbanken/Raiffeisenbanken nicht nur im Wettbewerb um High-Potentials mithalten, sondern auch ihren genossenschaftlichen Werten und ihrem Förderauftrag gerecht werden.  

Teamwork wurde viele Jahre als wesentliche Fähigkeit von Führungskräften verstanden, welche Rolle spielt diese Fähigkeit bei High-Potentials?

Julian
„Einer für alle und alle für einen“ hieß es bei den drei Musketieren. „Was einer allein nicht schafft, schaffen viele.“ heißt es im genossenschaftlichen Kontext. Aber das ist nur die eine Seite der Wahrheit. High-Potentials wollen/müssen sich beweisen, sie wollen zeigen, was sie können, wie sie Projekte zum Gelingen bringen, wie sie Widerstände meistern – ohne „Ego-Trip“ ist der Leistungsnachweis, auch gegenüber sich selbst, schwer. Sie fühlen sich persönlich gefordert und wollen sich von ihrer eigenen eingeschätzten Leistungsfähigkeit überzeugen. 

Wolfgang
Unternehmen, die diese Notwendigkeit akzeptieren, achten auf die „beidhändigen“ Fähigkeiten ihrer High-Potentials, sie beobachten die Teamfähigkeit und den persönlichen Einsatz. Sie achten sehr darauf wer welchen Beitrag zum Erfolg bringt und wer wem den Erfolg zuordnet. Auch ein „Ego-Trip“ kann als Team-Erfolg verkauft werden, auch eine Team-Leistung kann als persönlicher Erfolg präsentiert werden – die erfahrene und sensible Führungskraft wird den Unterschied erkennen. 

Was zeichnet erfolgreiche High-Potentials in Puncto Team-Work aus?

Wolfgang
Beidhändigkeit, die Fähigkeit persönliche und kollektive Leistung miteinander optimal zu verzahnen. Im Team gemeinsam persönliche und kollektive Ziele zu entwickeln und zu kommunizieren. Sich und das Team zu motivieren und zu disziplinieren, so dass jeder die gesetzten Ziele erreichen will und konsequent an der Zielerreichung arbeitet. Im Team den Geist von Zuversicht und Zutrauen zu verankern. Das Ego jedes einzelnen Team-Mitglieds zu nutzen, ohne dass es dem gemeinsamen Erfolg im Weg steht, sondern als Sprungbrett für den kollektiven Erfolg dient.

Das sind hohe Anforderungen. Anforderungen, die sicherlich von einigen nicht erfüllt werden können – woran scheitern High-Potentials in Punkto Team-Work?

Julian
Bei weniger erfolgreichen High-Potentials beobachten wir meist eine zu geringe Fähigkeit zur „Beidhändigkeit“, sie schaffen die Balance nicht zwischen Ego und Team, zwischen hart und weich, konsequent und beweglich. Sie gehen zu langen Konflikten aus dem Weg. Sie werden als Vorbild nicht rundum anerkannt, ihr Engagement überzeugt bzw. motiviert das Team nicht. Und das Wichtigste: Sie strahlen nicht Freude aus, sie lassen nicht ausreichend zu, dass Spaß am Erfolg erlebt wird. Wer nicht Erfolge mit dem Team feiern kann oder vergisst Erfolge mit dem Team zu teilen, der wird auf Dauer nicht sein persönliches Ziel als High-Potentials erreichen. Und umgekehrt die erfahrenen Manager, die den jungen High-Potentials nicht auf deren Weg zum High-Performer helfen, werden langfristig keinen Erfolg haben.