Interview W. Pachali & G. Althaus –
Jahresende – die Zeit der Besinnung.

In unseren Blogbeiträgen veröffentlichen wir Fragen von Workshop-Teilnehmern, Interviews mit Pressevertretern und Gespräche mit Kunden.

Jahresende – die Zeit der Besinnung. Wir schauen in den Rückspiegel. Versuchen zu rekonstruieren, zu bewerten und zu verstehen. Wir tauschen unsere Bewertungen aus und bestimmen Positionen und Handlungsbedarf. Was gilt es unter dem Aspekt von „Evolve-Management“ zu beachten?  

Günter
Feedback erfolgt in vielen Unternehmen noch im klassischen jährlichen Mitarbeitergespräch. Auge in Auge – aber selten auf Augenhöhe. Ausgereifte Routine, eingeschalteter Autopilot: Auf beiden Seiten. Man ist sich der Gefahr der Oberflächlichkeit bewusst und bleibt dennoch weitestgehend an der Oberfläche.

Wolfgang
Jahresgespräch, das klingt so einfach: ehrlich, konkret und konstruktiv soll es sein. Von beiden Seiten. Einfach wäre es, wenn da nicht die Mauer der Hierarchie, die Mauer der Vorsicht, die Mauer der Erfahrung im Wege stehen würden. Von oben nach unten ist die Perspektive. Selten von unten nach oben. Von Teamleiter zu Teammitarbeiter: Anerkennung in homöopathischen Dosen. Von Teammitarbeiter zu Teamleiter: Kritik verträglich verpackt.

Wie können diese Hindernisse überwunden werden?

Wolfgang
Indem wir uns zunächst klarer machen, was wir eigentlich mit dem Gespräch erreichen wollen. Aus unserer Sicht schaut man zurück, um sich nach vorne  „weiterzuentwickeln“. Das ist mehr, als zu sagen, was der Gegenüber falsch gemacht hat. Wer dem Gegenüber helfen will „sich weiterzuentwickeln“, der benötigt die Akzeptanz des Gegenübers.

Günter
Ehrliches Feedback bringt den Handlungsbedarf auf den Punkt. Auch, wenn er schmerzlich ist. Weichgespülte Argumentation ist wenig förderlich. Im Gegenteil, sie ist sogar destruktiv, sie verhindert das „sich weiterentwickeln“ des Gegenübers. Nur radikales Feedback ist konstruktiv. Konsequent in der Sache, verständnisvoll im Ton! Das gilt für beide Perspektiven, für die Beurteilung durch den Teamleiter genauso wie für die Beurteilung des Teamleiters durch den Teammitarbeiter.

„Radikales Feedback“ – ist das nicht zu radikal?

Wolfgang
Das Adjektiv „radikal“ ist vom lateinischen radix (Wurzel) abgeleitet und beschreibt das Bestreben das Problem „an der Wurzel“ zu greifen und von dort aus möglichst umfassend, vollständig und nachhaltig zu lösen. Und genau darum geht es bei einem ehrlichen und konstruktiven Feedback. Herausforderungen an der Wurzel zu packen. Nur dort ist eine nachhaltige Veränderung möglich.

Günter
Ohne nachvollziehbare, umfassende und klare Positionsbestimmung können wir weder passgenaue Ziele formulieren, noch situationsgerechte Wege zum Ziel erarbeiten. Wenn die Positionsbestimmung, z.B. weichgespült wird, egal ob von oben nach unten oder von unten nach oben, kann kein Kurs bestimmt werden.

Welche Rolle spielt das Timing dabei

Günter
Wie bereits eingangs angedeutet sind wir keine Freunde des „Jahresgesprächs“. Wir setzen uns vielmehr für eine schnellere Taktung der Rückmeldung ein. Je hautnaher das Feedback erfolgt, desto wirksamer. „Ich habe dich jetzt ein Jahr lang bei dies und jenes beobachtet“… was soll das. Zeitnah, aufrichtig und offen – das ist unsere Bitte an alle Beteiligte.

Wolfgang
Wir empfehlen regelmäßige „Clear the air-Meetings“: wöchentlich, monatlich!  Schnelle und radikale Transparenz, statt aufgestauter Emotionen. Will man mündige Kollegen haben, muss man deren Feedback aushalten, will man dem Kollegen helfen sich weiterzuentwickeln, braucht er ungeschöntes Feedback. Feedback, das auf Neugierde aufbaut: warum hat er so gehandelt, wie er gehandelt hat. Feedback, das auf Klarheit aufbaut: „Was genau war denn aus Sicht des Feedbackgebers z.B. nicht ausreichend professionell, was wäre aus seiner Sicht professionell gewesen“. Feedback, das der Logik folgt: Feedback muss zu Feedback führen.

Ist diese radikale Form des Feedbacks in jedem Unternehmen möglich?

Wolfgang
Es ist wie immer eine Frage der Haltung, des Selbstverständnisses. Deshalb stellen wir die Frage nach der Zielsetzung in den Vordergrund: Was will ich mit dem Feedback erreichen? Aufstauen z.B. verzögert persönliche Weiterentwicklung. Die zeitnahe Ansprache z.B. verhindert häufig Eskalation.

Günter
Die Art und Weise wie wir „Feedback“ im Unternehmen verankern wirkt sich automatisch auf die Unternehmenskultur aus. Beim Feedbackgespräch werden Werte sichtbar und erlebbar. Werte wie Respekt, Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit. Eine offene konstruktive Feedback-Kultur muss wachsen, zu groß sind die negativen Erfahrungen auf beiden Seiten.