Interview W. Pachali & G. Althaus –
Jahresanfang – die Zeit der Ziele und Pläne.

In unseren Blogbeiträgen veröffentlichen wir Fragen von Workshop-Teilnehmern, Interviews mit Pressevertretern und Gespräche mit Kunden.

Jahresanfang – die Zeit der Ziele und Pläne. Wir schauen nach vorne, setzen Ziele und entwickeln Pläne, die zur Erreichung der Ziele führen sollen. Und hoffen auf eine konsequente und disziplinierte Umsetzung. Was gilt es unter dem Aspekt von „Evolve-Management“ zu beachten?  

Wolfgang
Die Management-Literatur ist voll von Empfehlungen und guten Ratschlägen zum Thema Ziele setzen und Strategien entwickeln. Es ist wichtig Richtung, Wege und Tempo zu bestimmen. Aber noch wichtiger ist die konsequente und disziplinierte Umsetzung. Und genau daran scheitern die meisten Vorhaben. Und das seit Jahrtausenden.

Günter
Um die historische Dimension dieser Herausforderung besser zu verstehen, lohnt es sich z.B. die Erkenntnisse von Aristoteles in den Blick zu nehmen. Aristoteles bezeichnete das theoretische Vermögen mit „Potencia“, die Umsetzung mit „Acto“ und machte uns deutlich, dass zwischen „Potencia“ – der Absicht- und „Acto“– der Handlung- eine unsichtbare, aber mächtige Mauer steht. Die Mauer verhindert, dass aus der Absicht sofortiges Handeln entsteht. Aufgrund der Mauer handeln wir nicht oder noch nicht. Die Mauer besteht aus „äußeren Umständen“ oder „noch nicht erfüllten Voraussetzungen“ oder „ungünstigen Gelegenheiten“.

Die Mauer – Ursache/Entschuldigung für Nicht-Handeln?

Wolfgang
In der Psychologie wird z.B. von Ambivalenz gesprochen. Ambivalenz (lateinisch ambo „beide“ und valere „gelten“), d.h. in einer Person bestehen gleichzeitig nebeneinander widersprechende Wünsche, Gefühle und Gedanken und führen zu inneren Spannungen. Jeder von uns kennt dieses Gefühl: Ich will, ich will nicht.

In diesem Moment ist uns beides gleich viel Wert. Wir können uns nicht entscheiden, es entstehen innere Widerstände, die uns vom Handeln abhalten. Ambivalenzen lassen uns im Leben gerne „Still-Stehen“.

Günter
Nicht, dass da jetzt ein falscher Zungenschlag reinkommt: Die Fähigkeit, Ambivalenz aushalten zu können, spricht für eine gesteigerte emotionale Reife. Eine Form der Ambivalenz ist die Bequemlichkeit. Jede Handlung (Acto) ist bekanntlich mit einer Anstrengung verbunden. Und darauf haben wir häufig keine Lust.

Was hält uns, außer der Bequemlichkeit, noch ab von uns selbstgesetzte Ziele auch in die Tat umzusetzen?

Wolfgang
Die Wissenschaft weist uns noch auf eine weitere Ursache hin: Unmittelbar nach der Absichtserklärung stellt sich bei uns Menschen ein tiefes Wohlgefühl ein, obwohl noch keine Handlung erfolgt ist. Auch wenn es merkwürdig klingt: Ziele zu formulieren kann an sich schon glücklich machen. Manch einer wird jetzt sagen: Leider!

Günter
Glücksgefühl ohne Handlung? Ja, bei manchen wirkt das sogar so sehr, dass ihnen ein Handeln nicht mehr attraktiv erscheint. Auf der einen Seite entsteht aus der Visualisierung einer Zielerreichung die Motivation, die notwendig ist, um ein Ziel erreichen zu wollen und gleichzeitig kann unsere Vorstellungskraft so stark sein, dass sie uns regelrecht einlullt.  

Wolfgang
Manager berauschen sich gerne an wohlformulierten anspruchsvollen Zielen und entschlossen vorgetragenen Strategien und Umsetzungsmaßnahmen für das nächste Jahr. Die gleichen Manager, die dann häufig nicht die Energie aufbringen die ersten Umsetzungsschritte auch tatsächlich zu gehen. Wer hat es noch nicht erlebt: Die mit viel Aufwand erzeugte Energie einer Jahres-Kickoff-Veranstaltung verpuffte spätestens zwei Monate später.

Günter
Die gleichen Glücksgefühle entstehen, wenn wir unsere Ziele anderen erzählen, unsere Strategien anderen präsentieren. Auch hier gilt: Das Glücksgefühl stellt sich ein, obwohl noch keine Umsetzung erfolgt ist. Die Erkenntnisse der Wissenschaft können einem manchmal zur Verzweiflung bringen – dennoch: Die Vorstellung einer Handlung macht Manchen bereits fast so glücklich, wie die Handlung selbst.

Wolfgang
Das Ziel ist gedacht, das Ziel ist verkündet worden – das Glücksgefühl setzt ein! Aber es ändert sich natürlich nichts. Es fehlt das Wichtigste: Die Umsetzung, die konkrete Tat, die echte Handlung. Leider kann dieser Effekt auch im Unternehmen dringend notwendige Veränderungen verlangsamen, blockieren oder gänzlich verhindern.

Und wenn der Absicht doch eine erste konkrete Handlung folgt, auf was  macht uns die Wissenschaft dann aufmerksam?

Dann wird das Leben anstrengender. Gerade die erste Handlung schmälert mein Glücksgefühl. Es klingt absurd, und dennoch kann sicherlich jeder dies aus eigener Erfahrung nachvollziehen. Gerade jetzt kurz nach Sylvester, in einer Zeit, in der viele gut gemeinte Pläne geschmiedet wurden und in den ersten Wochen der erste Schritt zur Umsetzung getan werden müsste.

Und wie erreichen wir dennoch unseren „inneren Frieden“?

Günter
Ganz einfach – durch eine überzeugende Begründung für das „Noch-nicht-Handeln“ oder das „Nicht-Handeln“: Der Zeitpunkt ist noch verfrüht, die Umstände haben sich verändert, oder man sei zu neuen Erkenntnissen gekommen. Erleichterung stellt sich ein. Schließlich ist aufgeschoben nicht aufgehoben. Das Jahr hat ja nicht nur den Januar und Februar, sondern auch noch den Juli und August und sogar noch den November und Dezember. Die Aktivierungsenergie, die notwendig ist, um den ersten Schritt zu machen, macht den berühmten ersten Schritt immer zum größten, zum schwersten Schritt. Streng nach dem Motto: „Wenn das jetzt schon so anstrengend anfängt…“

Wolfgang
Die Wahrscheinlichkeit der Umsetzung eines Plans steigt, je schneller wir von der Zielsetzung in die Umsetzung kommen – je schneller eine konkrete Handlung der Zielsetzung folgt. Je kürzer der Abstand zwischen Absicht und Umsetzung, zwischen wollen und tun, desto wahrscheinlicher wird der „erste Schritt“. Mit jedem Tag des „Nicht-Handelns“ wächst die Macht der Bequemlichkeit. Eine zweite Erkenntnis der Motivationsforscher: Der erste Schritt darf ruhig ein kleiner Schritt sein, wichtiger ist, dass er so schnell wie möglich erfolgt. Es mag merkwürdig klingen, aber der erste Schritt – selbst, wenn er noch so klein ist – überwindet immer die größte Distanz.

Günter
Wie oft können wir lesen „Erfolg entsteht im Kopf“. Das ist falsch! Im Kopf entstehen Ziele, Strategien und Pläne. Erfolg entsteht erst durch konkretes Tun, durch unsere Bereitschaft und Fähigkeit die notwendige Energie für die Umsetzung, für das konkrete Handeln aufzubringen! Also: Welches Ziel hast du dir für das Jahr 2023 gesetzt, aber noch nicht den ersten Schritt getan? Los geht´s!