Interview W. Pachali & J. Mohr – Kohärenz – Resilienz – Ambidextrie

In unseren Blogbeiträgen veröffentlichen wir Fragen von Workshop-Teilnehmern, Interviews mit Pressevertretern und Gespräche mit Kunden.
Neben dem Autor Wolfgang Pachali nimmt heute der EMC hoch 2 Partner Julian Mohr im Interview Stellung.

Kohärenz – Resilienz – Ambidextrie: Überfordern wir Führungskräfte in der Krise, fühlen sich derzeit viele Führungskräfte überfordert?

Wolfgang
Es fühlen sich derzeit viele Menschen verunsichert und überfordert. In allen gesellschaftlichen Gruppen, natürlich auch auf der Ebene der Führungskräfte und Unternehmer. Es ist auf der einen Seite die Vielzahl der Veränderungen, wie z.B. Pandemie, Lieferkettenstörungen und Inflation, die eine Anpassung von uns erwartet, andererseits die Wucht der Veränderungen, wie z.B. künstliche Intelligenz oder Kriegsgefahr, die eine strukturelle Neuausrichtung von uns verlangen.  

Julian
Die Masse und die Schnelligkeit dieser Veränderungen werden von vielen als unüberschaubar und unplanbar erlebt. Das natürliche biologische Reaktionsmuster lautet: „Fight, Flight, Freeze“. Die einen verharren in einer Art Schockstarre, andere verbreiten wirkungslose operative Hektik, wieder andere igeln sich ein und tun so, als könnten sie das alles ignorieren. Jede dieser Reaktion führt jedoch zu Unsicherheit im Team.

Was ist zu tun?

Julian
Zuversicht und Zutrauen ist nötig. Von jedem Einzelnen aber auch von der Gesellschaft oder dem Unternehmen in seiner Gesamtheit. Die vor uns liegenden Veränderungen werden wir nur als Vertrauens-Gemeinschaften in interdisziplinären Teams meistern. Es geht um grundsätzliche Richtungsänderungen und Weichenstellungen, nicht um locker leichte kosmetische Korrekturen.

Wolfgang
Menschen brauchen den Eindruck der Machbarkeit. Die Erfahrung, dass die Lösung der Herausforderungen mit eigenen Ressourcen oder mit dem zur Verfügung stehenden Team möglich ist.

Menschen brauchen den Eindruck der Verstehbarkeit der Situation. Die Erfahrung, dass strukturierte und geordnete Informationen über die aktuelle Lage zur Verfügung stehen.

Und Menschen brauchen drittens den Eindruck der Sinnhaftigkeit. Die Erfahrung, dass das unternehmerische Handeln Sinn ergibt und es sich lohnt, mit Blick auf die Zukunft gezielt etwas zu unternehmen.

Die Bewältigung von strukturellen Veränderungen verlangt Härte und wird häufig als „schmerzhaft“ angesehen – stimmt das?

Julian
Strukturelle Veränderungen sind selten einfach. Ein Blick zurück zeigt: Viele wirtschaftliche oder gesellschaftliche Transformationen haben wir erfolgreich gemeistert. Industrie 1.0: Massenproduktion durch Maschinen, Industrie 2.0: Akkord und Fließband und Industrie 3.0: individuell programmierbare Computer. Immer gegen Widerstand! Immer sahen viele „unüberwindbare“ Hindernisse, und immer wurden von Wenigen „unsichtbare“ Chancen gesehen und genutzt. Es geht nun für Führungskräfte in der Industrie 4.0, in der cloudbasierte Technologien und künstliche Intelligenz im Vordergrund stehen, darum, diese vermeintlich unsichtbaren Chancen zu erkennen.

Wolfgang
Immer wenn Durchbruchs-Innovationen aufgetreten und gemeistert werden mussten, wählten wir die Bezeichnung industrielle „Revolution“. In Wirklichkeit war es eine über lange Sicht anbahnende evolutionäre Entwicklung – aber eben mit Durchbruchs-Charakter.

Und eines konnten wir stets beobachten: Die Verlierer der jeweiligen industriellen Revolution waren die Erfolgreichen in der Phase davor. Der Erfolg der Vergangenheit verschloss ihnen die Augen vor den Chancen der Zukunft.

Wir mögen keine strukturellen Veränderungen – kommt da der innere „Biedermeier“ zum Vorschein?

Wolfgang
Biedermeier, d.h. Flucht ins Idyll und ins Private. Kopf wegducken, Klappe halten. Der „Biedermeier“ in uns setzt auf eine Politik der Ruhigstellung. Eine Bravheit, die möglichst wenig bewegen will.

Julian
Die innere „Sattheit“ ist Ballast. Ballast, den wir abschütteln müssen um die Herausforderungen mit Kraft, Beweglichkeit und Entschlossenheit anzupacken.

Erfolgshunger, Leidenschaft, Beharrlichkeit – diese Tugenden sind in uns. Sie haben nur Staub angesetzt. Entstauben ist angesagt. 

Wie stehen Erfolgshunger, Leidenschaft, Beharrlichkeit zu Kohärenz, Resilienz, Ambidextrie?

Julian
Wie heißt es so schön: „Angriff ist die beste Verteidigung“. Erfolgshunger und Leidenschaft stärken unsere Widerstandskraft, Kohärenz stärkt unsere Entschlossenheit und Ambidextrie erleichtert unsere Beharrlichkeit.

Wolfgang
Entscheidend ist unser Wille und unsere Fähigkeit auf Veränderungen zu reagieren. Sind wir bereit zum „un-learning“, sind wir bereit zum „re-thinking“, sind wir willens auf eine neue Art und Weise Arbeit und Führung zu gestalten. Wir werden mit den Einstellungen, den Denk- und Verhaltensweisen von heute nicht die Herausforderungen von morgen erfolgreich bewältigen. All das, was uns gestern erfolgreich gemacht hat und heute noch erfolgreich macht, steht uns für die Herausforderungen von morgen im Wege. Wer von Zeitenwende spricht, fordert neues Denken und Handeln