Interview W. Pachali & J. Mohr – Zukunftsbilder

In unseren Blogbeiträgen veröffentlichen wir Fragen von Kunden und Pressevertretern. Vor wenigen Tagen führten wir einen Workshop mit Studenten der Wirtschaftswissenschaften durch die mit uns das Thema „Zukunfts-Kompetenz“ diskutieren. Deren Fragen beantwortete neben dem Autor Wolfgang Pachali sein EMC hoch 2 Partner Julian Mohr.

Was verstehen Sie unter Zukunfts-Kompetenz?

Julian
Die Fähigkeit sich unterschiedliche – wünschenswerte, aber auch nicht wünschenswerte – Zukünfte vorstellen zu können. Das Gestalten von Zukunftsszenarien, die greifbar, erlebbar und fühlbar sind. Vorstellungen von der Zukunft, die Mitarbeiter in allen Bereichen der Bank zum Handeln bewegen. Zukunft neu denken ist ein – vielleicht sogar – das Gebot der Stunde. Zukunft neu darstellen ist eine Kernaufgabe des Managements – gerade in stürmischen Zeiten.

Wolfgang
Und es geht darum Zukunftsverantwortung zu bilden und die Führungskräfte in einem Unternehmen zu ermutigen Zukunftsverantwortung anzunehmen.  Gerade dann, wenn negative Zukunftserwartungen die Titelseiten der Manager-Zeitschriften beherrschen und Zukunftsängste weit verbreitet sind. Das Recht des Menschen auf Zukunft beinhaltet die Pflicht der Verantwortlichen zur Gestaltung der Zukunft. 

Demnach spielt das Thema Zukunfts-Kompetenz bei Evolve-Management eine sehr große Rolle?

Wolfgang
Ja, gerade in unübersichtlichen Zeiten ist die Fähigkeit zur Entwicklung von belastbaren, nachvollziehbaren und motivierenden Zukunfts-Bildern eine ganz besondere Management-Pflicht. Die Überzeugungskraft des Zukunfts-Bildes Ausdruck ist stets auch Ausdruck der Zuversicht und des Zutrauens des Managements.

Julian
Jeder Mitarbeiter will sich doch in einem Unternehmen engagieren, dass an die Zukunft glaubt, dass eine klare Vorstellung davon hat, wohin die Reise geht und dass es sich lohnt diese Reise anzutreten. Erfolgsorientierte Führungskräfte bevorzugen Unternehmen die anspruchsvolle Ziele verfolgen, die Vertrauen in Ihre Fähigkeiten des Gelingens ausstrahlen.

Sie unterscheiden zwischen Zukunfts-Kompetenz und Umsetzungs-Kompetenz – was verstehen Sie unter Umsetzungs-Kompetenz?

Julian
Genauer gesagt empfehlen wir die Unterscheidung von 4 unterschiedlichen Kompetenzen: Die Zukunfts-, die Verantwortungs-, die Gestaltungs- und die Umsetzungs-Kompetenz. Die Verantwortungs-Kompetenz umfasst die Fähigkeit Rechenschaft (Schuld und Zurechnung) für die Planung der Zukunft zu übernehmen. Unter Gestaltungs-Kompetenz verstehen wir die Fähigkeit aus der Vorstellung über die Zukunft ein konkretes Zukunftsbild für das eigene Unternehmen zu entwickeln. Und unter Umsetzungs-Kompetenz verstehen wir die Fähigkeit nicht nur Zukunft zu entwerfen, zu gestalten und zu planen, sondern Zukunft zu verändern.

Gehen mit Unübersichtlichkeit nicht auch – zum mindestens teilweise – Unplanbarkeit einher?

Wolfgang
Bei der strategischen Planung einer Bank geht es heute weniger um eindeutige Prognosen, sondern um mögliche Zukunftsszenarien. Die Fähigkeit, verschiedene Zukunftsszenarien greifbar und erlebbar zu gestalten, ist Grundlage, um ein wünschenswertes Zukunftsbild zu entwickeln.

Julian
Die Fähigkeit, sich verschiedene mögliche Zukünfte vorstellen zu können und der Wille, den Lauf der Dinge zu beeinflussen, sind eine zentrale Bedingung für unser Wirken! Zukunftsvorstellungen funktionieren oft wie eine selbsterfüllende Prophezeiung. Sie prägen die Erwartungen der Menschen und beeinflussen indirekt den zukünftigen Lauf der Dinge.

Bilder von dem, was eintreten könnte, Erwartungen an die Zukunft zu bestimmen – tun wir das nicht ständig und automatisch?

Julian
Jeder Mensch konstruiert sich in seinem Kopf ständig eine eigene Vorstellung der Zukunft. Darin spiegelt sich die Summe seiner Erfahrungen, Werte und Vorstellungen – der Autopilot lenkt die Gedanken. Also unbemerkt und unbeachtet.  

Wolfgang
Viele Vorstände und Führungskräfte sind bei der Entwicklung konkreter unternehmerischer Zukunfts-Bilder überfordert mit der Komplexität und der Anzahl an Möglichkeiten, die neue Technologien, gesellschaftliche Trends und politische Rahmenbedingungen mit sich bringen. Diese Ratlosigkeit zeigt sich z.B. in immer oberflächlicheren und schwammigeren Zielen und Strategien.

Julian
Wir arbeiten z.B. mit speziellen Fragetechniken um mögliche Denkblockaden, Gewohnheiten oder mentale Muster zu überwinden. Ein Beispiel: Mit welchen Zukunfts-Themen würden sich die Gründer/Manager von z.B. Google, Apple oder Uber beschäftigen, wenn sie für ihr Unternehmen, für Ihr Startup-Unternehmen verantwortlich wären? Welche Fragen würden sich die Gründer/Manager von z.B. Google, Apple oder Uber stellen, wenn sie für ihr Unternehmen verantwortlich wären?

Schumpeter nannte es die „Schöpferische Zerstörung“ – aktuell wird häufig von „Defuturing“ gesprochen?

Wolfgang
Joseph Schumpeter machte uns mit seinem Ansatz der „schöpferischen Zerstörung“ darauf aufmerksam, dass jede ökonomische Entwicklung auf einem Prozess der schöpferischen bzw. kreativen Zerstörung aufbaut. Neues verdrängt altes bzw. zerstört es früher oder später. Zerstörung ist notwendig, damit Neuordnung stattfinden kann. Und das gilt auch für unser Denken. Es gilt für unsere Annahmen und unsere Glaubenssätze. Gerade erfolgreiche Menschen neigen dazu nach Informationen zu suchen, die ihre bestehenden Überzeugungen und Annahmen bestätigen.

Julian
Gestaltung erschafft Neues. Verbunden mit dem Preis der „Zerstörung“ von anderem.

Wir sprechen deshalb von ReThinking und UnLearning, von der Bereitschaft und Fähigkeit etwas neu zu denken, altes Wissen zu verlernen, alte Erfahrungen in neue Annahmen zu überführen. Unseren Kopf zu befreien von früheren Annahmen über die Zukunft und unserem „richtigen“ Verhalten.

Sie sprechen explizit von „Zukunfts-Bildern“

Julian
Ja, weil Anschaulichkeit ein Erfolgsfaktor bei der anschließenden Überzeugungsarbeit ist. Doch geht es uns nicht um die Entwicklung möglichst hübschen und emotionalen Zukunfts-Bildern, die alleine aufgrund ihrer Attraktivität Aufmerksamkeit bekommen. Nein, das wäre zu einfach gedacht.

Es geht uns darum die Kraft der Worte, um die Kraft von Bildern zu ergänzen. Bilder wirken schneller und haften länger.

Sollte man in ein neues Jahr ohne ein neues Zukunfts-Bild gehen?

Wolfgang
Nein! Unternehmerische Verantwortung verlangt Ausrichtung. Mitarbeiter erwarten richtungsweisende Entscheidungen. Sie brauchen ein motivierendes Bild von der Zukunft, sie brauchen Leitplanken als Orientierungshilfen bei der Umsetzung von Zielen und Strategien. Leitplanken nicht nur in Form von Zahlen, Daten, Fakten. Ein Bild von der Zukunft, dass über nachvollziehbare Plan-Bilanzen oder exakt errechneten Aussagen zu Risiko-Appetit hinausgeht. Motivation braucht mehr. Wir nehmen zukünftige Herausforderungen nur dann an, wenn wir eine Vorstellung davon haben, warum und wozu wir diese Anstrengung vornehmen, warum und wozu wir das Risiko einer Niederlage eingehen sollen.